Schön traditionell und investorenfreundlich
Früher war nicht nur alles besser, sondern auch die Städte waren schöner – diese Ansicht ist weit verbreitet, nicht nur bei konservativen und reaktionären Nostalgikern. Gerne wird die gediegene Stabilität der alten Städte mit dem skrupellosen Neubau in der Moderne kontrastiert. Mit der Wirklichkeit hat das freilich wenig zu tun. Ob Kriege und Revolutionen, die Einführung der Dampfmaschine und damit des Fabrikschlots oder die des Automobils, das Entstehen großer Arbeitersiedlungen im 19. Jahrhundert oder die Deindustrialisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – stets waren das Resultat bauliche Umbrüche, in denen sich Städte grundlegend veränderten und bei denen wenig Rücksicht auf vorhandene Bausubstanz und ihre Geschichte genommen wurde.
Seit 30 Jahren lässt sich ein solcher Umbruch in Deutschland besonders in den Großstädten auf dem ehemaligen Gebiet der DDR beobachten. Nur wird dabei paradoxerweise der Versuch unternommen, städtebaulich zur Vorvergangenheit zurückzukehren. Zum Teil werden vor vielen Jahrzehnten zerstörte historische Gebäude wiederaufgebaut – das prominenteste Beispiel ist wohl die Frauenkirche in Dresden. Sowohl die Spuren des Zweiten Weltkriegs wie auch die des Realsozialismus werden dadurch verwischt.
Durch den Wiederaufbau historischer Gebäude werden die Spuren des Zweiten Weltkriegs wie auch des Realsozialismus verwischt.
Diese ambitionierten Restaurationsprojekte wurden möglich, weil sich die politischen Verhältnisse wie auch Eigentumsstrukturen in den Städten in Folge des Umbruchs 1989/90 radikal geändert hatten. Zudem waren die ideologischen Grundlagen des realsozialistischen Städtebaus grundlegend delegitimiert. Damit eröffnete sich die Möglichkeit zu weitreichenden Eingriffen in die Stadtstruktur, die unter stabilen demokratischen Bedingungen wesentlich schwieriger und langsamer durchsetzbar gewesen wären.
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