Über das Wahrheitsempfinden von Vierbeinern

Können Hunde lügen?

Cocolumne Von

Können Hunde lügen? Viele Hundebesitzer sagen: Nein! Ihr Engelchen doch nicht, nicht so was! Niemals! Hunde hätten ja kein Ichbewusstsein in dem Sinne, dass sie absichtlich böse sein könnten, sie könnten nur ihrem Instinkt folgen, der immer authentisch und damit wahrhaftig sei.

Doch das ist Unfug. Tiere werden allgemein erheblich unterschätzt. Das sagt die Wissenschaft, wie der Verhaltensbiologe Norbert Sachser in dem von ihm herausgegebenen neuen Buch »Das unterschätzte Tier« darlegt. Um es Ihnen glaubhaft zu machen, kann ich auch aus eigener Erfahrung berichten: Coco ist nämlich eine ausgesprochen gute und leidenschaftliche Lügnerin. Sie täuscht mich am laufenden Band. Hat sie etwas ausgefressen, von dem sie weiß, dass sie es nicht soll, setzt sie den Unschuldslamm-Blick auf, nicht umsonst auch »Hundeblick« genannt: Ich? Ich soll etwas gemacht haben? Ich weiß von nichts! Natürlich tut sie das nicht aus moralischen oder unmoralischen Gründen, sondern weil sie sich ganz einfach Vorteile von diesem Verhalten verspricht, und zwar nicht zu Unrecht.

Wenn wir spazieren gehen, stöbert Coco gerne, wie es ihre Natur ist, auf dem Boden herum; alles wird beschnüffelt und berochen, mit der Schnauze begutachtet. Natürlich darf sie das auch, weil es eben ihre Natur ist. Doch was sie nicht darf: irgendwelche Sachen fressen, die ihr nicht bekommen könnten. Das tut sie, obwohl unverständlich ist, wie es im Sinne ihrer Natur sein könnte, sehr gerne; am liebsten Kot anderer Hunde, Füchse oder noch lieber von Menschen. Coco hat eine Methode entwickelt, mit ihrer bärtigen Schnauze so über den Boden zu schlürfen, dass es unmöglich ist zu sehen, ob sie dabei etwas aufnimmt. Im Vorbeigehen schnellt nur kurz die Zunge heraus, um Verbotenes zu schnappen, ohne dass sie den Kopf ­dabei bewegt.

Wenn ich es doch sehe, schimpfe ich natürlich und das übliche Leckerli an der nächsten Ecke fällt aus. Das wissend nimmt Coco Sachen nicht nur möglichst unauffällig in ihr Maul, nein, sie transportiert sie darin versteckt zehn Meter weiter und fängt dann erst an zu kauen.

In einer Schweizer Studie wurde Ähnliches 2017 demonstriert. Die leitende Wissenschaftlerin, Marianne ­Heberlein, sagte damals der Vice: »Die Studie zeigt, dass Hunde genau wie andere Tiere versuchen, ihren eigenen Vorteil zu steigern. Sie scheinen zu wissen, was sie wollen, und können Menschen so manipulieren, dass sie ihr Ziel auch erreichen.« Für die Lüge bedarf es keiner höheren Intelligenz, nur der Dummheit des Gegenübers. Bei Coco bin das gerne ich.

Nicht nur Hunde täuschen für ihren Vorteil. Selbst strunzdumme Tiere wie die Gespenstschrecke, die sich als Laubblatt tarnt, oder die Spannerraupe, die wie ein dünner Zweig aussieht, leben nur, weil sie täuschen. Böse sein kann man weder der Raupe noch Coco. Am wenigsten Coco: dieser Blick!