In Österreich wurden der ­Nazi-Rapper Mr. Bond und der Betreiber von »Judas Watch« verurteilt

Bomben, Waffen, Terror-Rap

In Österreich gab es mehrere Razzien gegen Rechtsextreme. Zuvor waren in zwei Prozessen Rechtsextreme verurteilt worden, darunter der weltweit bekannte Nazi-Rapper Mr. Bond und ein 78jähriger mutmaßlicher Bombenbauer.

Gäbe es einen Wettkampf zwischen Deutschland und Österreich, welches Land die schlimmere Naziszene hat, könnte man nach den jüngsten Ereignissen sagen: Es bleibt spannend. Am 6. April wurden in Deutschland bei Razzien gegen Rechtsextreme in elf Bundesländern insgesamt 61 Objekte durchsucht; am Tag darauf durchsuchten auch in Österreich die Behörden Räumlichkeiten in sechs Bundesländern. Die Durchsuchungen hier richteten sich gegen 13 Zielpersonen, der Verdacht lautet auf Verhetzung und Wiederbetätigung nach dem NS-Verbotsgesetz.

Schaut man ein wenig zurück, erscheinen die jüngsten Razzien freilich fast nebensächlich. Seit 2019 wurden in Österreich über 20 Waffenlager von Neonazis ausgehoben. Ende März kam es zudem zu Schuldsprüchen in zwei Strafprozessen, die einen Einblick in die rechtsex­treme Szene Österreichs gaben. Zu zehn Jahre Haft verurteilte am 31. März das Landesgericht für Strafsachen Wien den 37jährigen Kärntner Philip H. Dem Urteil zufolge ist H. der Neo­nazi-Rapper mit dem Künstlernamen Mr. Bond. Er wurde wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt, weil er in seinen Texten die NS-Zeit und den Holocaust verharmlost hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wie Belltower News berichtete, hieß es in der Anklageschrift, der österreichische Verfassungsschutz halte Philip H. für »besonders gefährlich«, weil »er selbst ein Attentat planen oder andere mit seinen Liedern dazu animieren könnte, Anschläge zu begehen«.

Über eine Stunde lang dauerte die Verlesung der inkriminierten Lied­texte. Sie strotzen vor extremem Antisemitismus, der Glorifizierung von NS-Verbrechen und brutalsten Gewaltphantasien gegen Jüdinnen und Juden und politischen Gegnern. Mr. Bond hatte sich darauf spezialisiert, bekannte Songs mit Nazi-Texten neu aufzunehmen – aus Gucci Manes »Supa Cocky« wurde »Supernazi«- und rappte sowohl auf Deutsch wie auf Englisch. Er veröffentlichte mehrere Alben und kassierte dafür Zehntausende Euro an Spenden von seinen Fans, wie die »Tagesschau« berichtete.

Mr. Bond verdankte seine Bekanntheit zum Teil dem Attentäter von Halle (Saale), der die Musik des Nazi-Rappers in seinem Livestream spielte.

Mit seinen menschenverachtenden Songtexten machte er sich vor allem bei Neonazis in den USA einen Namen. Philip H. soll sich zudem im Wahlkampf des US-amerikanischen Politikers Patrick Little engagiert haben. 2018 hatte Little in Kalifornien versucht, für die Republikaner in den Senat einzuziehen. Er fordert, die USA »judenfrei« zu machen, und leugnet den ­Holocaust. Dem US-Nachrichtenmagazin Newsweek sagte Little, er würde Adolf Hitler wohl für den »wiedergekehrten Christus« halten, wenn er gläubiger wäre.

Auch die skandinavische Neonazigruppierung Nordic Resistance Movement (NRM) zählte zu den Fans von Mr. Bond. Seine Songs wurden im Podcast des NRM gespielt und Philip H. war in der Vergangenheit zu Gast in der Sendung gewesen. Offenbar bekam Mr. Bond Unterstützung aus der internationalen Neonaziszene. So gab es vor allem auf einschlägigen Social-Media-Kanälen Spendenaufrufe. In einer dieser Chatgruppen, in ­denen Hilfe für Mr. Bond organisiert und antisemi­tische Hetze betrieben wurde, sei auch ein Soldat der österreichischen Streitkräfte aktiv gewesen, berichtete der Standard. Vor Beginn des Prozesses wurde ein Transparent mit der Aufschrift »Free Mr. Bond« am Haus gegenüber des Landesgerichts angebracht.

Der Nazi-Rapper verdankte seine Bekanntheit zum Teil dem Attentäter von Halle (Saale). Denn der spielte Musik von Mr. Bond in seinem Livestream, als er sich 2019 auf dem Weg zur Synagoge befand, in der er ein Massaker an der jüdischen Gemeinde verüben wollte. Philip H. fühlte sich dem Rechtsterrorismus offenbar sehr verbunden. Er übersetzte und verbreitete das Manifest des Christchurch-Attentäters, der 2019 bei einem Anschlag auf zwei Moscheen in Neuseeland 51 Menschen ermordet hatte. Den Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke durch einen Neonazi feierte H. als Heldentat. Und sein jüngstes Mixtape widmete Mr. Bond jenem Mann, der am 27. Oktober 2018 im US-amerikanischen Pittsburgh elf Menschen in einer Synagoge erschossen hatte. Der erste Verhandlungstag brachte für die Öffentlichkeit eine Überraschung: Benjamin H., der 34jährige Bruder von Philip H., war ebenfalls angeklagt, weil er sich gemeinsam mit Mr. Bond der Wiederbetätigung schuldig gemacht haben soll. Erst am ersten Prozesstag wurde jedoch bekannt gemacht, dass Benjamin H. auch als der seit Jahren gesuchte Adminis­­trator der antisemitischen Hetzseite »Judas Watch« angeklagt war. Im Zuge der Ermittlungen gegen Mr. Bond waren die Behörden zufällig auf Chat-Nachrichten gestoßen, die Benjamin H. als Betreiber der Website identifizierten. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt, auch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auf »Judas Watch« wurden ab 2016 Feindeslisten veröffentlicht, mit rund 1 800 Namen und personenbezogene Daten von Personen und Organi­sationen aus aller Welt. Der Website zufolge handelte es sich bei ihnen um »Verräter der Weißen Rasse«.

Im Haus des Bruderpaars fand die Polizei auch eine Faustfeuerwaffe und Munition. Noch zehn Tage vor seiner Festnahme habe Philip H. nach einer Anleitung zum Selbstbau von Schusswaffen mittels 3D-Drucker gesucht, berichtete die Informationsplattform »Stoppt die Rechten«.

Während die beiden Brüder in Wien vor Gericht standen, lief in Eisenstadt ein Prozess gegen einen mutmaßlichen neonazistischen Bombenbauer aus dem Burgenland. Angeklagt war ein 78jähriger wegen der Vorbereitung ­eines Sprengstoffdelikts, Vergehen nach dem NS-Verbotsgesetz, Verhetzung und diverser Suchtmittel- und Waffendelikte. Am 31. März wurde er zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da es der Angeklagte zwar akzeptierte, die Staatsanwaltschaft sich aber Bedenkzeit ­erbat.

Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung waren mehrere illegale Schusswaffen sowie Material und Pläne zum Bau von Rohrbomben gefunden worden. Der Beobachtungsstelle »Stoppt die Rechten« zufolge fand man außerdem gerahmte Bilder der Rechtsterroristen Franz Fuchs, Beate Zschäpe und Anders Breivik und Propagandamaterial der neofaschistischen »Identitären«. Der Angeklagte wurde in einer Mitteilung des österreichischen Innenministeriums als »Mitglied der Identitären Bewegung Österreich« bezeichnet. Das bewog die Identitäre ­Bewegung Österreich – von der sonst nicht mehr viel zu vernehmen ist – zu ­einer eilig schriftlichen Distanzierung: Zwar sei der Mann tatsächlich bei ­einem offenen Abend eines »patriotischen Hausprojekts« zu Besuch ge­wesen, er habe sich »nach außen sehr freundlich« gegeben und so habe niemand ahnen können, dass er zu Straftaten fähig wäre. Die Identitären sei ­jedenfalls nicht für die Taten oder die Gesinnung des Manns verantwortlich. Das Gegenteil zu behaupten, sei »Teil einer schäbigen Medienstrategie«.