Der »Aktionsplan gegen Rechtsextremismus« von Bundesinnenministerin Nancy Faeser

Zehn Punkte sind ein Plan

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat einen »Aktionsplan gegen Rechtsextremismus« vorgelegt. Darin fehlt jedoch die Perspektive der zivilgesellschaftlichen antifaschistischen Arbeit.
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»Rechtsextremismus muss ganzheitlich bekämpft werden – mit Prävention und harter Hand«, heißt es im »Aktionsplan gegen Rechtsextremismus« des Bundesministeriums des Innern und für Heimat. Diesen stellte die Bundesinnenministerin, Nancy Faeser (SPD), Mitte März gemeinsam mit den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang (CDU), des Bundeskriminalamts, Holger Münch, und der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB), Thomas Krüger (SPD), vor. Doch die Begründung, mit der man etwas gegen die extreme Rechte zu unternehmen gedenkt, bleibt extremismustheoretischen Prämissen verhaftet. »Unsere ­Demokratie muss wehrhaft sein«, heißt es einführend im »Aktionsplan«.

Der Verfassungsschutz soll die ex­­­­trem Rechten finanziell »aus­­trocknen« helfen, entwaffnen
und aus dem öffentlichen Dienst entfernen. All dies müsste ohnehin sein Kerngeschäft sein.

Sarah Schulz arbeitet in ihrem mit Maximilian Fuhrmann verfassten und im vergangenen Jahr im Schmetterling-Verlag erschienenen Buch »Stramm­stehen vor der Demokratie« heraus, wie die Rede von der »wehrhaften Demokratie« auf einer Fehlanalyse des Scheiterns der Weimarer Republik aufbaut. Weit verbreitet sei die Vorstellung, das politische System der Weimarer Repu­blik sei zerbrochen, weil sie ihren Feinden zu viele Rechte zugestanden habe. Die Lehre daraus sei nun, dass diese Rechte begrenzt werden müssten – durch Exekutivbehörden. Dabei sei es die Exekutive gewesen, die mit ­illegalen Mitteln wie der Verfolgung und Ermordung Oppositioneller die Demokratie beseitigt habe. In »der heutigen wehrhaften Demokratie« werde »ein staatlicher Schutzmechanismus gegen vermeintlich ›zu viel‹ Freiheit institu­tionalisiert und ein unkontrollierbarer Inlandsgeheimdienst, also eine exeku­tive Behörde, zur Institution des Demokratieschutzes erklärt«, so Schulz.

In vier seiner zehn Punkte überantwortet der »Aktionsplan« dem Verfassungsschutz maßgebliche Aufgaben und in einem Punkt dem Bundeskriminalamt. In den übrigen Punkten sind eher die BPB und zivilgesellschaftliche Organisationen gefragt.

Der Verfassungsschutz soll die »Aufklärung und Analyse rechtsextremis­tischer Finanzaktivitäten deutlich ausweiten«. Die extreme Rechte erziele »teilweise beträchtliche Einnahmen« durch Konzerte, Festivals und Kampf­sportveranstaltungen sowie den Vertrieb von Szenebekleidung, Merchan­dise und Musikprodukten. Diese Finanzquellen wolle man »austrocknen«. Der Verfassungsschutz soll »sukzessive einen Überblick über verbreitete Geschäftsfelder von Rechtsextremisten erarbeiten und deren Bedeutung analysieren, um konsequent gegen Finanzgeflechte im Rechtsextremismus vor­gehen zu können«.

Bisweilen hoffen auch manche Linke, dass der Verfassungsschutz doch zu etwas gut sein könnte. Beispielsweise hat das Finanzgericht von Sachsen-Anhalt 2020 dem neurechten »Verein für Staatspolitik« von Götz Kubitschek und Erik Lehnert die Gemeinnützigkeit wieder zugesprochen, nachdem das Finanzamt Merseburg diese zuvor aberkannt hatte. Florian Nustede schreibt in der diesjährigen Ausgabe des im Fischer-Verlag erschienenen Reports »Recht gegen rechts«, der einfachste Weg, die Gemeinnützigkeit des Vereins aufzuheben, sei eine Einstufung als »rechtsextremistisch« durch die Verfassungsschutzämter. Wenn der Aktionsplan nun ankündigt, man wolle die Finanzen der extrem Rechten »austrocknen«, könnte das durchaus direkte Effekte auf die Szene haben.

Die Zahl der Rechtsextremen mit Waffenerlaubnis war zuletzt der Bundesregierung zufolge auf 1 561 gestiegen. Um die extrem rechte Szene zu entwaffnen, wolle man »ein Forum zum Austausch von Verfassungsschutz-, Waffen-, und Polizeibehörden unter geeigneter Einbeziehung der Verwaltungsgerichte einrichten«. Außerdem soll der Verfassungsschutz helfen, Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen; betroffene Bundesbehörden sollen sich an eine neue Koordinierungsstelle des Verfassungsschutzes wenden können. All dies müsste eigentlich ohnehin als Kerngeschäft des Verfassungsschutzes gelten.

Der »Aktionsplan« baut selbstverständlich nicht ausschließlich auf den Verfassungsschutz. Allerdings offen­baren die geplanten Präventionsprogramme ein recht naives Verständnis der politischen Bildungsarbeit. So heißt es, man wolle zur »Prävention gegen Extremismus« die »demokratische Streitkultur« fördern. Im Rahmen des dort genannten Förder- und Qua­lifizierungsprogramms »Miteinander reden« fördert die BPB wichtige Projekte im ländlichen Raum, jedoch klingt der Text des »Aktionsplans« reichlich verharmlosend: »Prävention gegen Extremismus beginnt mit einer offenen, fairen und respektvollen Diskussions- und Streitkultur. Gesellschaftliche Debatten sind jedoch zunehmend von Polarisierung, Spaltung und gezielter Desinformation geprägt.« Es wirkt, als ob Faschismus und Anti­faschismus sich auf dem Jahrmarkt der Ideen und schließlich irgendwo in der Mitte treffen sollen. Präventive Bildungsarbeit hat nicht allein die Aufgabe, die »Dialogfähigkeit« zu stärken, sondern auch, über Antisemitismus, Rassismus et cetera aufzuklären, Re­flexion anzuregen und eine konsequent ablehnende Haltung gegen menschenverachtendes Denken einzuüben.

Solche Passagen zeigen, dass im »­Aktionsplan« die Perspektive der zivilgesellschaftlichen antifaschistischen Arbeit fehlt. Darauf wies auch der Sprecher des Bundesverbands ­Mobile Beratung, Heiko Klare, Mitte März in einer Pressemitteilung hin: »Wir unterstützen, dass die Ministerin den Druck auf die rechtsextreme Szene erhöhen und zivilgesellschaftliche Organisationen einbeziehen will (…) ­Einige Maßnahmen laufen aber Gefahr, an vorhandenen Strukturen vorbeizugehen.« Es brauche für die Beratungen keine Bundesanlaufstelle, sondern vor allem mehr lokale Angebote. Klare kritisiert auch, dass anstelle einer Gesamtstrategie lediglich Einzelmaßnahmen genannt würden, und fordert die Inkraftsetzung des Demokratiefördergesetzes. Dieses Gesetz ist bereits in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder diskutiert worden und soll die prekär projektfinanzierte politische Bildungs- und Beratungsarbeit langfristig sichern. In der Großen Koalition war es von den Unionsparteien blockiert worden. Unionsabgeordnete hätten Bedenken gehabt, mit dem Gesetz »zu linke« Organisationen zu unterstützen, hieß es dem Spiegel zufolge im März vergangenen Jahres aus dem Bundesfamilienministerium.

Im Februar initiierten das Bundesinnenministerium und das Bundesfa­milienministerium gemeinsam einen »Beteiligungsprozess« für das geplante Demokratiefördergesetz. Das Unterfangen wird sicher nicht leicht: Die geladenen Stiftungen und Verbände stehen objektiv in einer Konkurrenzsituation zueinander. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Prozess etwas ambitioniertere Ergebnisse als den »Aktionsplan gegen Rechtsextremismus« hervorbringt, und die Präventions- und Bera­tungs­arbeit zumindest in einem gewissen Rahmen dem Primat der inneren ­Sicherheit entreißt.