Die Bundesregierung will den Mindeststundenlohn im Herbst auf zwölf Euro erhöhen

Arm trotz Arbeit

Die Ampelkoalition will den Mindestlohn im Herbst auf zwölf Euro pro Stunde erhöhen, dennoch bleibt dieser ein Armutslohn. Hinzu kommen zahlreiche Ausnahmeregelungen im Mindestlohngesetz und verschiedene Umgehungstaktiken von Unternehmen.

Die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro die Stunde gehörte zu den zentralen Versprechen der SPD im Bundestagswahlkampf im vergangenen Jahr. Sie wurde auch im Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP vereinbart. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat im Januar einen Gesetzentwurf vorgelegt, dem zufolge der Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 angehoben werden soll. Aus Sicht der Gewerkschaften und Sozialverbände, die seit Jahren für einen höheren Mindestlohn werben, ist das eine längst überfällige Korrektur, galt die Lohnuntergrenze doch bereits bei ihrer Einführung 2015 als viel zu niedrig angesetzt. Immerhin mehr als sieben Millionen Lohnabhängige dürften nach aktuellen Schätzungen von der Entscheidung der Bundesregierung profitieren und künftig mehr Geld zur Verfügung haben. Für sie bedeutet die Anpassung eine existentielle Verbesserung ihrer Lebenssituation.

Die Erhöhung um mehr als 20 Prozent geht bisher erstaunlich geräuschlos über die Bühne. Arbeitgeberverbände drohen zwar, wie schon bei der Einführung der Lohnuntergrenze, mit wenig aussichtsreichen Klagen und prognostizieren Massenentlassungen, stoßen damit jedoch medial und politisch kaum auf Gehör. Der Mindestlohn gilt inzwischen weitgehend als politischer Konsens.

Die Zahl derjenigen, die trotz Arbeit in relativer Armut leben, steigt  kontinuierlich. 2020 erreichte der Anteil der Armen unter den Erwerbstätigen das Rekordhoch von 8,7 Prozent.

Schon als er 2014 beschlossen wurde, klang es vielfach, als würden damit ­nahezu alle sozialen Probleme ohne Weiteres gelöst. Es handele sich um einen »Meilenstein in der Arbeits- und Sozialpolitik«, konstatierte etwa die damalige Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles (SPD). Im Bundestag war die Rede von »einer der größten Sozialreformen in der Geschichte der Bundesrepublik« und einer »historischen Stunde«.

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