Russland kann für das ökonomisch weit überlegene China nur Juniorpartner sein

Ungleiche Partner

Russland und China haben feierlich ein umfassendes Bündnis geschlossen, doch die gemeinsamen Interessen reichen über den Kampf gegen die Demokratie und den westlichen Einfluss kaum hinaus.
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Wenn in der Diplomatie »auf Augenhöhe« verhandelt wird, ist das bekanntlich nicht wörtlich gemeint, zum Glück für den nur 1,70 Meter großen Wladimir Putin. Doch auch beim metaphorischen Gebrauch der Floskel ist Vorsicht geboten. Die Anfang Februar vom russischen Präsidenten und seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping (1,80 Meter) vorgestellte »Gemeinsame Erklärung« zeichnet das Bild zweier gleichberechtigter global player, die auf allen erdenklichen Gebieten eng zusammenarbeiten wollen. Relevant dürfte dieses Bündnis nur beim Kampf gegen Demokratie und westlichen Einfluss sein. Das Bruttoinlandsprodukt Russlands liegt bei etwa 1,6 Billionen US-Dollar, das Chinas über 16 Billionen US-Dollar. Das schließt in einer Welt kapitalistischer Konkurrenz eine gleichberechtigte Partnerschaft aus.

In Russland genügt die staatliche Kontrolle über den Energiesektor, um durch den Export fossiler Brennstoffe ausreichende Einnahmen für den Erhalt des Regimes und die Finanzierung einer expansiven Außenpolitik zu generieren. Angesichts des zu erwartenden Tempos der globalen Abkehr von fossilen Energieträgern dürfte diese ökonomische Grundlage noch einige Jahrzehnte Bestand haben, langfristig aber werden die Einnahmen sinken und schließlich versiegen. Aufstrebende Industriesektoren gibt es jenseits der Rüstungsproduktion nicht. Putin hat es zwar geschafft, die Oligarchen des Privatsektors durch Vergünstigungen und Repressalien unter Kontrolle zu bringen, nicht aber, eine Wirtschaftspolitik durchzusetzen, die auch nur annähernd die Effizienz des von der chinesischen KP etablierten staatskapitalistischen Systems erreicht.

Ökonomisch ist Russland für China vornehmlich als Rohstofflieferant von Interesse. In der Weltpolitik ist Putin ein willkommener Partner im Kampf gegen den »Versuch gewisser Staaten, ihre eigenen ‚›demokratischen Standards‹ anderen Ländern aufzuzwingen«, und für eine »gerechte multipolare Welt«, wie es in der »Gemeinsamen Erklärung« heißt.

China unterstützt nun explizit die russische Forderung nach westlichen »Sicherheitsgarantien«, hat jedoch die Annexion der Krim auch beim jüngsten Gipfeltreffen nicht anerkannt. Man darf vermuten, dass die wesentlich stärker an ökonomischer Rationalität orientierte chinesische Führung Putins Außenpolitik mit einigem Befremden betrachtet. Es ist offenkundig, wie die chinesische Belt and Road Initiative dem Streben nach Hegemonie in der Weltwirtschaft dienlich sein kann; weniger klar ist, was Putin, abgesehen von der Vergabe lukrativer Aufträge an loyale Oligarchen, mit den von ihm beanspruchten Einflusssphären anzufangen gedenkt. Die Krim und die von abhängigen Milizen gehaltenen Gebiete in der Ukraine und Georgien müssen subventioniert werden.

Der chinesische Nationalismus soll Mittel zum Zweck sein und wird dosiert verabreicht; das Regime hat zuvor geschürte Emotionen immer wieder zu dämpfen versucht, wenn sie außenpolitisch schädlich zu werden drohten. Die KP weiß, dass die Gefolgschaft der Bevölkerung vor allem auf dem Versprechen letztlich für alle wachsenden Wohlstands beruht. In der russischen Expansionspolitik hingegen spielen ideologische Motive eine wesentlich größere Rolle. Es besteht derzeit angesichts der Schwäche der Opposition keine dringliche Notwendigkeit, nationalistische Emotionen durch einen Krieg zu schüren. Vielmehr scheint die noch der Sowjetbürokratie entstammende, am loss of empire leidende politische Führung die Machtausweitung um ihrer selbst willen anzustreben, während für die Oligarchen neue Geschäfte in Aussicht stehen. Selbst wenn Putin eine weitere Annexion gelingen sollte, ist das kein dauerhaft tragfähiges imperiales Konzept, zumal die ökonomischen Grundlage – die Öl- und Gasrente, die die mangelnde Produktivität kompensiert – schwindet.

Kommt es zur Eskalation im Ukraine-Konflikt, dürfte China versuchen, eine Vermittlerrolle einzunehmen und seine Geschäfts­interessen etwa im Handel mit den USA über die Solidarität mit Putin stellen. Der gemeinsame Kampf gegen die Demokratie ist keine ausreichende Grundlage für ein umfassendes Bündnis so ungleicher Partner.