Das Geschäft mit Non-Fungible ­Tokens nimmt Fahrt auf

Ab in die Sandkiste

Was kümmert mich der Dax Von

Die »Metaflower Super Mega Yacht« ist vier Stockwerke hoch, sie verfügt über zwei Hubschrauberlandeplätze, zahlreiche Lounges, einen Whirlpool und einen Tanzsaal. 650 000 US-Dollar wären da geradezu ein Schnäppchenpreis, gäbe es da nicht zwei Haken, einen großen und einen kleinen. Der große: Die Jacht existiert nur digital im Metaverse des Smartphone-Games »The Sandbox«. Der kleine: Sie ist potthässlich und sieht aus wie ein Kriegsschiff aus einem Computerspiel der frühen neunziger Jahre. Dies ist nur ein kleiner Haken, weil echte Oligarchenjachten ebenfalls oft wie Kriegsschiffe – allerdings immerhin wie moderne Stealth-Zerstörer – aussehen und es im Metaverse mehr noch als im wirklichen Leben vor allem darauf ankommt, zu protzen.

Dass der Besitzer bislang nicht protzt und der Kauf, abgewickelt in der Kryptowährung Ethereum, nur durch eine Twitter-Nachricht des Metaverse-Entwicklers Republic Realm nebst Screenshot belegt ist, weckt ein wenig Misstrauen. Sicher ist jedoch, dass das Geschäft mit Non-Fungible Tokens, also Dateien, die mittels Zertifizierung zu Wertgegenständen erhoben werden, an Fahrt aufnimmt. Das macht es möglich, in den digitalen Welten des Metaverse Avatare mit Statussymbolen auszustatten. So investiert der japanische Konzern Softbank 150 Millionen US-Dollar in die südkoreanische Metaverse-Plattform Zepeto, mit 41 Millionen stieg Hybe ein, eine Firma, die K-Pop vermarktet. Während Zepeto-Avatare nun zertifizierte high fashion tragen können, begann »The Sandbox« ein Gewinnspiel und meldet Landverkäufe auf seinen Fantasy Islands.

Man kann sich nun darüber beklagen, dass die Welt immer irrer wird, oder über den Verfall des bourgeoisen Geschmacks seit der Blütezeit der niederländischen Malerei lamentieren – tatsächlich ist es erstaunlich, dass die zahlende Kundschaft sich mit einer so erbärmlichen Pixelgraphik abfindet. Aber man sollte auch das Positive sehen. Theoretisch könnte das kapitalistische Wachstum nun rein digital stattfinden. Gewiss, es wird Strom verbraucht, aber ein digitaler SUV schadet der Umwelt ungleich weniger als ein realer.

Auch andere kapitalistische Umtriebe könnten ins Metaverse verlagert werden – auf den Fantasy Islands kann man mit Immobilien spekulieren, ohne jemandem zu schaden. Die Bourgeoisie und alle, die es ihr gleichtun wollen, könnten fröhlich in der ­digitalen Sandkiste spielen, während der Rest der Menschheit einem schöneren Leben entgegengeht. Leider ist zu befürchten, dass die Zielgruppe ihrer Macht im wirklichen Leben nicht entsagen will – und auch nicht echten Jachten, die aussehen wie Stealth-Zerstörer.