Die Übergangsregierung in Mali will mit Jihadisten verhandeln lassen

Der Junta gefallen Wahlen nicht

Die malische Militärjunta hat den Ecowas-Gesandten aus dem Land geworfen. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft hatte die Einhaltung des angekündigten Wahltermins im kommenden Februar gefordert.

Raus, aber schnell. Ungefähr so lässt sich die Aufforderung zusammenfassen, die die malische Militärjunta dem Sondergesandten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) am Montag zukommen ließ.

Die Ecowas eckt derzeit bei Malis Machthabern an, weil sie auf baldige Präsidentschafts- und Parlaments­wahlen in dem westafrikanischen Land drängt. Dort hatte im August 2020 ein Militärputsch gegen den damaligen umstrittenen Staatspräsidenten Ibrahim Boubacar Keïta stattgefunden, im Mai dieses Jahres folgte dann ein zweiter »Putsch im Putsch«. Nach dem Putsch 2020 hatte die von Militärangehörigen angeführ­te, aber auch einige Zivilisten umfassende Übergangsregierung in Mali versprochen, innerhalb von 18 Monaten allgemeine Wahlen abzuhalten, also spätestens bis Ende Februar 2022. Eine Verschiebung des zunächst auf den 27. Februar festgelegten Wahltermins gilt als sicher, wenn auch noch inoffi­ziell, und wird mit der Überarbeitung des Wählerverzeichnisses gerecht­fertigt.

Die Militärjunta hat dem »Hohen Islamischen Rat« den Auftrag erteilt, mit den al-Qaida nahestehenden, im Norden Malis operierenden Jihadisten zu verhandeln.

Die Ecowas betrachtet dieses Vor­gehen als Hinhaltetaktik. Dabei geht es ihren Repräsentanten nicht nur um hehre Demokratieideale. Die Ecowas pocht zwar stets auf die Einhaltung formal korrekter demokratischer Verfahren, insbesondere bei Wahlen, aber ihren Vertretern geht es in der Regel auch darum, die Legitimität einer im jeweiligen Land eingesessenen »poli­tischen Klasse« zu bewahren, der sie selbst oft angehören. Deren Macht wurde in jüngerer Zeit durch den Militärputsch in Mali und den von Anfang September im benachbarten Guinea in Frage gestellt. Auch wenn dies keine demokratischen Machtübergaben waren, so hat doch ein Generationenwechsel stattgefunden. Nun sind in beiden Staaten jüngere Männer an der Macht, während die gestürzten Staatsoberhäupter im Greisenalter waren.

Am 17. Oktober besuchte der Vorsitzende der Ecowas-Kommission, der ghanaische Präsident Nana Akufo-Addo, Malis Hauptstadt Bamako und überbrachte die Aufforderung, die Militärjunta müsse den von ihr angekündigten Wahltermin einhalten. Am Montag nun verfügten die malischen Behörden die Ausweisung des Sondergesandten der Ecowas für Mali, den aus dem Nachbarland Burkina Faso stammenden Diplomaten Hamidou Boly. Er habe 72 Stunden Zeit, das Staatsgebiet zu verlassen, und werde zur unerwünschten Person erklärt. Was ihm von offizieller Seite genau vorgeworfen wird, wurde zunächst nicht näher erläutert. Im Laufe des Tages wurde als Begründung nachgeschoben, Boly habe »mit seinem Status unvereinbare Handlungen« vorgenommen. Dies konkretisierte Außenminister Abdoulaye Dipp dahin­gehend, Boly habe zu Einzelpersonen und Gruppen aus der Zivilgesellschaft, Politikern und Medienvertretern, die allesamt »dem Übergangsprozess feindliche Aktivitäten durchführen«, Verbindungen unterhalten.

Auch die Vereinten Nationen fordern die Einhaltung des angekündigten Wahltermins und üben Druck auf die Militärjunta aus. Der nigrische UN-Botschafter Abdou Abarry, sein französischer Amtskollege Nicolas de Rivière und die US-amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield kamen am 24. Oktober zur Visite nach Bamako. Am Vortag hatten dort 1000 Frauen für die Einhaltung des Wahltermins am 27. Februar demon­striert. Die Delegation traf sich auch mit Oppositionellen.

Am Dienstag voriger Woche wurde bekannt, dass die malische Militärjunta nunmehr offiziell dem von Klerikern gebildeten »Hohen Islamischen Rat« (HCI) unter dem Vorsitz des sala­fistischen Ideen anhängenden, jedoch legal agierenden Predigers Mamadou Dicko den Auftrag erteilte, mit den al-Qaida nahestehenden, im Norden ­Malis operierenden Jihadisten zu verhandeln. Unter Präsident Keïta war dies noch auf informellem Weg versucht worden. Konkret soll mit der aus mehreren Fusionen jihadistischer Or­ganisationen hervorgegangenen Gruppe zur Verteidigung des Islam und der Muslime (GSIM) beratschlagt werden. Das Religionsministerium in Mali bestätigte dadurch eine zuvor von Radio France internationale (RFI) verbreitete Meldung und bekräftigte, es gehe um Verhandlungen »auch mit Iyad Ag Ghali und Amadou Koufa«, also den Anführern des GSIM sowie der ihm angegliederten Katiba Macina, einer wichtigen Kampfgruppe, die in der zentralmalischen Region Macina ihre Hochburg hat.

Iyad Ag Ghali stellte postwendend seine Forderungen. Zu ihnen zählt nicht nur der Abzug französischer Truppen aus Mali, sondern auch die Einführung der Sharia – etwas, das die Regierung wiederum schwerlich ernsthaft zum Verhandlungsgegenstand erheben kann. In lokalen Abkommen mit GSIM-Ablegern in Zentralmali, die zwischen März vorigen und März dieses Jahres eingegangen worden waren und etwa eine Wieder­eröffnung der Schulen erlaubten, aber mittlerweile geplatzt sind, war allerdings ein Verhüllungszwang für Frauen auf lokaler Ebene vereinbart worden. Dies konnte als Zugeständnis an den Islamismus gewertet werden.

Die Durchsetzung solcher Sharia-Vorschriften auf nationaler Ebene dürfte für den Großteil der Bevölkerung inakzeptabel sein. Diese wünscht zugleich ein Ende des Blutvergießens, doch ein militärischer Sieg über die Islamisten scheint in weiter Ferne. Die Regierung hat keine Geländegewinne im Kampf mit ihnen vorzuweisen, wie die Pariser Abendzeitung Le Monde am Freitag voriger Woche betonte. Die Zeitung sprach von einer »Verhandlung aus einer Schwächeposition heraus« mit der Perspektive einer »ungenannten Kapitulation«.

Ebenfalls in Le Monde schrieb Philippe Bernard in einem Leitartikel, für Frankreich gebe es in Mali derzeit nur noch die Wahl zwischen schlechten und nicht ganz so schlechten Lösungen. Vielleicht gilt dies ja auch für die Regierenden in Mali in ähnlicher Weise. Am Freitag voriger Woche warf Human Rights Watch in einem Bericht malischen Ordnungskräften zahlreiche Menschenrechtsverletzungen wie außergerichtliche Hinrichtungen und »Verschwindenlassen« vor.