Prominente und Kampagnen wollen Wahlberechtigte zur Stimmabgabe bewegen

Aufruf an die Herde

Wie der Bundespräsident, Prominente und NGOs die Deutschen dazu bewegen wollen, am Sonntag den Bundestag zu wählen.

Ein weißhaariger Mann mit Anzug, Krawatte und Brille spielt mit einem Zauberwürfel, dann sagt er: »Eine knifflige Aufgabe, die wir lösen müssen. Wir sind alle gefragt.« Der Mann ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, und in dem Video, das er Ende August auf seiner Website und in den sozialen Medien veröffentlichte, ruft er dazu auf, am Sonntag zur Bundestagswahl zu gehen.

Wir sind – mich eingeschlossen – gerne eine zähe Herde Kühe.« 
Herbert Grönemeyer, Musiker

Bei der Bundestagswahl 2017 wählten 76,2 Prozent der Wahlberechtigten. Das waren knapp fünf Prozentpunkte mehr als 2013, aber immer noch deutlich weniger als 1972, als 91,1 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben – die höchste Wahlbeteiligung in der Geschichte der Bundesrepublik. Vor ­allem Arme wählen selten. 2017 hätten »in wohlhabenden Wohngegenden noch immer fast 90 Prozent der Wahlberechtigten« gewählt, »aber in armen Gegenden oft nicht einmal die Hälfte«, sagte der Politikwissenschaftler Armin Schäfer kürzlich der Taz.

Auch die dem Bundesinnenministerium unterstellte Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) will die Wahlberechtigen zur Stimmabgabe bewegen. Der Rapper Eko Fresh singt in ­einem im Auftrag der BPB produzierten Video: »Da bin ich wieder mit der Message: Demokratie ist zerbrechlich. Siehst du sie als selbstverständlich, Digga, das rächt sich.« Und: »Sei nicht faul und geh raus für dein Land und deine Fahne.«

Zur Wahl ruft auch der Musiker Herbert Grönemeyer auf. Er sorge sich, »dass es uns durchrutscht, um wie viel elementarer diese Wahl im Vergleich zu den vorhergehenden ist«, sagt er in einem Video, das er vorige Woche in sozialen Medien veröffentlichte. »Wir sind – mich eingeschlossen – gerne eine zähe Herde Kühe.« Der Spiegel meint auf seiner Website zu dieser ­eigenwilligen Metapher: »Er findet ein Bild für die Trägheit des Wahlvolks.« In dem Video stellt Grönemeyer Fragen wie: »Wollen wir das Auseinanderdriften von Arm und Reich aufhalten und endlich ein großes gerechtes soziales Miteinander ausprobieren?« Und: »Ist uns der Klimaumschwung wirklich brennend wichtig?«

Diese Frage beschäftigt auch die Kampagne »Enkelkinderbriefe«. Sie wird von dem Moderator Joko Winterscheidt unterstützt, zu ihren Partnern gehört Fridays for Future, auch Altrapper Jan Delay wirbt für sie. Den Machern der Kampagne geht es nach eigenen Angaben darum, »im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 einen Beitrag für eine Politik zu leisten, die generationengerechten Klimaschutz in den Mittelpunkt politischen Handelns stellt«. Sie fordern junge Menschen auf, ihren Großeltern Briefe zu schreiben. Auf der Website der Kampagne kann man solche Briefe aus Textbausteinen zusammenfügen und Briefpapier herunterladen. »In den letzten Jahren hatten wir den heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnung. (…) Ihr könnt dafür sorgen, dass wir eine neue Regierung bekommen«, heißt es in einem mit Hilfe der Website erstellten Brief.

Andere rufen zur Wahl auf, damit die AfD relativ gesehen schlechter abschneidet. Die NGO Campact zum Beispiel betreibt unter der Überschrift »Klimablockierer und Rechtsaußen abwählen« sechs Kampagnen in Wahlkreisen, in denen die Vergabe der Erststimme der NGO zufolge einen besonders großen Unterschied macht. So gehe es im Wahlkreis Dresden I darum, »einen Direktmandat-Sieg des rechtsextremen AfD-Kandidaten (Jens Maier, Anm. d. Red.) durch die strategische Vergabe der Erststimme« an Katja Kipping (»Die Linke«) zu vereiteln, wie es auf der Website von Campact heißt.

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), eine von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und der Elektroindustrie finanzierte GmbH, ruft hingegen dazu auf »nicht an den politischen Rändern« zu wählen. Sie meint: »Deutschland regiert man nicht mit links. Und schon gar nicht mit rechts. Sondern mit sozialer Marktwirtschaft.« Und empfiehlt: »Stimmen auch Sie am 26. September für die soziale Marktwirtschaft!«

Allerdings dürfen Deutschlandfunk und ZDF zufolge rund 9,7 Millionen in Deutschland lebende Erwachsene den Bundestag gar nicht wählen, weil sie nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen.