Klassenkampf - Lehrer sind wie Hausgeister

Kinder als Säule

Kolumne Von

Ein Kollege sagte neulich, Schule stehe für ihn auf drei Säulen: den Kindern, den Eltern und den Lehrkräften. Und wenn eine dieser Säulen wegbräche, stürze das ganze Schulhaus ein. Er hat das nicht zu mir gesagt, so dass ich nicht antworten musste, aber gedanklich angeregt hat mich seine Aussage trotzdem. Dabei bin ich davon ausgegangen, dass er, wenn er von dem Wegbrechen einer der Säulen spricht, nicht unbedingt meint, dass eine der genannten Personengruppen eines Morgens kollektiv beschließt, von nun an und für immer im Bett liegen zu bleiben und Serien zu streamen, bis der Arzt kommt. Vermutlich drehte sich das von mir belauschte Gespräch eher um die Auswirkungen der Pandemie; es gibt ja nicht mehr so viele Gespräche, die sich um etwas anderes drehen. Und wahrscheinlich wollte er sagen, dass, wenn Eltern, Kinder oder Lehrkräfte aufhörten, die ihnen jeweils zugedachte Rolle angemessen auszufüllen, weil zum Beispiel eine globale Pandemie ihnen dies erschwert, ein erfolgreicher Schulbetrieb verunmöglicht werde.

Dieser Gedanke ist, finde ich, recht interessant, weil er überhaupt nichts aussagt und doch zugleich lauter Fragen aufwirft. Zum Beispiel die, was von Kindern als Säule so alles erwartet wird. Sie sollen erfolgreich lernen? Das tun sie ja nie, jedenfalls nie alle von ihnen. Das ist so vorgesehen, deswegen gibt es die Fünf und deswegen wird sie ja auch in den meisten Lerngruppen, egal wie gut diese sind, vergeben. Dann sollen die Kinder zumindest ihr Bestes geben? Aber es sind ja Kinder, und das Lustige an ihnen ist, dass man davon ausgehen muss, dass das, was sie da wieder gemacht haben, irgendwie ihr Bestes war. Man muss sie darin unterstützen, zu lernen, weil sie es von alleine eher nicht tun. Und ist eine Säule, die man unterstützen muss, überhaupt noch eine Säule? Und warum sind es nur drei Säulen? Was ist beispielsweise mit dem Fotokopierer, ohne den jeder Schulbetrieb sofort zusammenbräche?

Ich denke, wir machen das eher so: Die Regierungssäule und die »Anforderungen der Wirtschaft«-Säule stützen die Schule, während Schulamt, Putzkräfte, Schulleitung und Fotokopierer das feste Fundament bilden, auf dem alles ruht; die Eltern sind die Türen nach draußen und die Sekretärinnen und Sekretäre könnten ja mal das Dach sein. Die Kinder aber, das ist der Clou, die sind überhaupt kein Gebäudeteil, die wohnen da in dieser Schule! Und die Noten, das sind Stufen einer Treppe, die direkt in den Himmel über der Schule führt, in dem dann Karriere, Glück und Käsekuchen warten, oder in den Keller unter der Schule, zu hartem Brot und Weiterbildungen im Jobcenter. Wir Lehrkräfte indes sind natürlich die Hausgeister, die den Kindern auf der Treppe gerne eine helfende Hand reichen. Oder auch einen kleinen Tritt geben, kommt halt darauf an.