Parlamentswahlen stärken El Salvadors autoritären Präsidenten

Lässig, neu und autoritär

Der große Erfolg seiner Partei Nuevas Ideas bei den Parlamentswahlen in El Salvador verschafft Präsident Nayib Bukele einen Machtzuwachs. Kritiker befürchten stärkeren Machtmissbrauch.

Der überwältigende Sieg, den die salvadorianischen Umfrageergebnisse prognostiziert hatten, ist Realität geworden. Nuevas Ideas (Neue Ideen), die Partei von Präsident Nayib Bukele, hat bei den Parlamentswahlen in El Salvador am vorvergangenen Sonntag eine Zweidrittelmehrheit erreicht und besetzt 56 der 84 Sitze im Parlament. Davor hatten Juristen wie Saúl Baños ­gewarnt. Im vergangenen Jahr, so der Direktor der Menschenrechtsorganisation Fespad (Stiftung für das Studium der Rechtsanwendung), sei die Verfassung nur ungenügend eingehalten worden, dafür sei vor allem der Präsident verantwortlich gewesen.

Der 39jährige Nayib Bukele ist seit Juli 2019 im Amt. Er regiere in El Salvador mit harter Hand, kritisiert Baños. Er wirft dem Präsidenten vor, sich im Verlauf der Pandemie immer autoritärer gebärdet und das öffentliche Leben militarisiert zu haben. Ein Beispiel dafür sind die Centros de Contención (Eindämmungszentren), wo während des Lockdowns zwischen März und Mai 2020 die wegen Verstößen gegen die Quarantäne Festgenommenen festgehalten wurden – eine gesetzlich nicht gedeckte Maßnahme, die von der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch verurteilt und vom Verfassungsgericht El Salvadors am 8. April 2020 für unzulässig erklärt wurde. »Doch Präsident Bukele hat sich über das höchste Gericht des Landes hinweggesetzt, sogar gegen das Urteil polemisiert. Ein klarer Verfassungsbruch«, kritisiert Baños.

Dieses selbstherrliche Vorgehen macht dem 50jährigen Leiter von Fespad Sorgen, ebenso wie die Nähe des Präsidenten zur Armee. Die 2018 zugelassene Nuevas Ideas war bislang nicht im Parlament vertreten; Bukele war noch als Vertreter der konser­vativen Partei Gana (Große Allianz für die nationale Einheit) zum Präsidenten gewählt worden. Am 9. Februar 2020 hatte Bukele bewaffnete Soldaten ins Parlament eindringen lassen, um die Abgeordneten zu drängen, einem Kredit für die Aufrüstung des Militärs zuzustimmen. Dieses Vorgehen kritisierten Medien wie El Faro, Factum und die konservative Tageszeitung El Diario de Hoy. Gegen alle diese Medien hat Bukele immer wieder polemisiert – meist auf Twitter.

Bukeles Strategen stellen ihn mit einigem Erfolg als den coolsten Präsidenten der Region dar: Locker gekleidet, oft eine umgedrehte Baseball-Kappe tragend, ist der ehemalige Bürgermeister von San Salvador (2015–2018, damals noch für den linken FMLN, der Bukele 2017 ausschloss) überaus populär. Zustimmungsquoten für ihn und seine Politik von konstant rund 80 Prozent belegen das. Bukele profitiert vom Einflussverlust der traditionellen Parteien Arena (Nationalistische Republikanische Allianz) und FMLN (Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí). Diese dominierten das politische Geschehen seit dem Ende des Bürgerkriegs 1992, sie haben das Land quasi im Wechsel regiert und so manchen Korruptionsskandal hinter sich. An der extremen sozialen Ungleichheit hat sich kaum etwas geändert.

Bei den Wahlen hat die rechte Partei Arena 23 Sitze im 84-köpfigen Parlament verloren, die Partei der ehemaligen linken Guerilla FMLN 19. Zudem wird Bukele vermutlich von der Partei Gana unterstützt, einer Abspaltung der Arena-Partei, die mit fünf Sitzen im Parlament vertreten sein wird. Der neuen Partei Nuevas Ideas gehören vor allem opportunistische Politiker an, wie das Online-Magazin Factum recherchierte. Das ist auch für Saúl Baños unstrittig: »Es sind vor allem Ja-Sager, viele haben Jobs im Staatssektor. Für unsere fragile Demokratie sind das keine guten Nachrichten.« Er wirft dem Lager des Präsidenten auch vor, staatliche Ressourcen im Wahlkampf genutzt zu haben: »Warum sind 70 000 Nahrungsmittelpakete an Wahlkampfhelfer von Nuevas Ideas gegangen, warum viele Bürgermeister ohne staatliche Unterstützung geblieben, wenn sie politisch mit der Regierung nicht auf einer Wellenlänge lagen?«Neben Korruptionsbekämpfung hatte Bukele ein energisches Vorgehen gegen die Bandenkriminalität der Maras versprochen, als er im Juli 2019 in den Präsidentenpalast einzog. Doch mit den Maras werde hinter den Kulissen verhandelt, so die renommierten Online-Reporter von El Faro, während in der Öffentlichkeit so getan werde, als ob sie bekämpft würden. Kritiker autoritärer Maßnahmen ­werden in den sozialen Medien oft diffamiert und manchmal bedroht.

Das setzt sich in den meisten klassischen Medien und vor allem denen, die der Regierung die Treue halten, fort. Oficialismo nennt man das in El Salvador, denn die regierungstreuen Redaktionen werden mit Anzeigen der Regierung belohnt. Von der Regierung quasi gegründet wurde die Zeitung Diario El Salvador, für Kritiker wie Baños ein Verlautbarungsorgan, das zur Polarisierung beitrage.

Vor dem Machtzuwachs für Bukele warnte auch die Plataforma de compromiso por la defensa de la Democracia y la República (Plattform für die Verteidigung der Demokratie und der Republik), der viele Nichtregierungsorganisationen angehören. Eine absolute Mehrheit im Parlament sorge ­dafür, dass viele Stellen in der Justiz und auch die Verfassungsrichter vom Präsidenten direkt vorgeschlagen und von den Abgeordneten seiner Partei gewählt werden könnten. Doch die große Mehrheit der Wählerinnen und Wähler ist darüber offenbar nicht ­besorgt.