Der russische Impfstoff Sputnik V könnte ein Exporterfolg werden

Der Präsident ziert sich

Für Russland geht es bei der Pandemiebekämpfung auch um Prestige. Während die Impfwilligkeit im Inland gering ist, entwickelt sich der Export des im Land entwickelten Impfstoffs Sputnik V vielversprechend.

Wettbewerb und Vermarktung gehören zu den Grundlagen des Kapitalismus, Fairness und Vorsicht hingegen nicht. Dass Russland bereits im Sommer, noch vor Abschluss aller nötigen Testphasen, dem Präparat Sputnik V die weltweit erste Zulassung für einen Impfstoff gegen Covid-19 erteilte, dürfte aber neben marktpolitischen Erwägungen größtenteils auf Prestigegründe zurückzuführen sein.

Gemeinhin zählt Imagepflege nicht unbedingt zu den Stärken der russischen Führung. Russland war in den vergangenen Jahren schwerwiegenden Vorwürfen unter anderem wegen Einmischung in den US-Präsidentschaftswahlkampf und versuchter Tötungsdelikte mit dem Nervengift Nowitschok ausgesetzt, da könnten Erfolge bei der Pandemiebekämpfung das Ansehen in westlichen Ländern wieder etwas heben.

In Moskau läuft die Impfkampagne auf Hochtouren, auch die Regionen werden mit dem Impfstoff Sputnik V des staatlichen Gamaleja-Instituts versorgt. Über 1,5 Millionen Dosen seien bereits an die Impfzentren geliefert worden, teilte Russlands Gesundheitsminister Michail Muraschko in der ersten Januarwoche mit. Weitere 45 000 Impfdosen stammen aus der Herstellung des ­Nowosibirsker Forschungszentrums Vektor, das Epivaccorona entwickelt hat, den zweiten in Russland zugelassenen Impfstoff gegen Covid-19.

Die Nachrichtenagentur Interfax vermeldete, dass 40 Länder Interesse am russischen Vakzin Sputnik V bekundet hätten. Manchmal kommt es aber zu Rückschlägen beim Export.

Zwar erhalten bestimmte Berufsgruppen bislang Vorrang bei der Impfung, aber zumindest in der Hauptstadt werden trotz anderslautender Angaben auf dem Anmeldeportal vor der Injektion keine schriftlichen Belege verlangt. Ohnehin hält sich der Andrang in Grenzen. Nicht einmal Präsident Wladimir Putin ließ sich bislang impfen. Die Gerüchte, wonach er sich am 5. Januar seine erste Dosis habe verabreichen lassen, dementierte der Regierungssprecher Dmitrij Peskow. Dafür ließ sich der US-amerikanische Regisseur Oliver Stone als einer der ersten Prominenten mit Sputnik V impfen.

Von Fachleuten geäußerte Skepsis und Sicherheitsbedenken bei der Anwendung des Vakzins treten derweil immer mehr in den Hintergrund. Impfstoffe sind weltweit begehrt und sie sind Mangelware. Daher können sich russische Hersteller durchaus Profitchancen ausrechnen. Das Gamaleja-Institut korrigierte seine ersten Angaben zur Wirksamkeit von Sputnik V und spricht inzwischen von einem Schutz gegen eine Erkrankung bei 91,4 Prozent der Geimpften, zudem seien bei den trotz Impfung Erkrankten keine schweren Verläufe beobachtet worden. Damit stünde das Vakzin denen der westlichen Konkurrenz von Biontech/Pfizer oder Moderna kaum nach. Aleksandr Ginzburg, der Direktor des Gamaleja-Instituts, hält es gar für möglich, dass die Wirkung von Sputnik V bis zu zwei Jahre lang anhalten könnte.

Seit Dezember läuft zudem ein Test zur kombinierten Gabe von Sputnik V und dem britisch-schwedischen Impfstoff Astra-Zeneca. Dessen Anwendung ist in Russland allerdings nicht geplant, vielmehr soll durch die Kooperation die Produktion für Länder erleichtert werden, die nicht in der Lage sind, ihren Bedarf an Vakzinen zu decken.

Zu geringe Herstellungskapazitäten stellen die russischen Behörden allerdings vor große Herausforderungen. Bislang existieren sechs Produktionsstätten für Sputnik V, eine siebte ist in Bau. Schon frühzeitig waren diese Probleme absehbar. Ende November gab der Russische Fonds für Direktinvestitionen per Twitter bekannt, dass erste Verhandlungen mit dem Wissenschaftskomitee für Impfstoffe der französischen Regierung stattgefunden hätten. Zuvor soll nach Angaben des französischen Wirtschaftsmagazins Challenges Putin bei seinem Amtskollegen Emmanuel Macron um Hilfe bei der Produktion von Sputnik V gebeten haben.

Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Putin zu Jahresbeginn ebenfalls über dieses Thema gesprochen, teilte die russische Regierung mit. Der Zugang zum Markt der Europäischen Union ist für Russland von enormer Bedeutung. Ende Dezember lieferte Russland 6 000 Impfdosen nach Ungarn, aber der Bewilligung seitens der EU für eigene Tests an Ort und Stelle mit Sputnik V ging harsche Kritik am ungarischen ­Alleingang voraus. Außerdem zieht die ungarische Regierung auch den Bezug von Impfstoff aus China in Erwägung, einem weiteren ernsthaften Konkurrenten für russische Hersteller.

Außerhalb der EU läuft das Geschäft besser. Belarus erteilte Sputnik V als zweites Land die Zulassung. Mit der serbischen Regierung wurde die Lieferung von zwei Millionen Impfdosen vereinbart, die allerdings von Unternehmen in Indien, China und Südkorea produziert werden sollen. Auch die Türkei äußerte Interesse an einer Kooperation bei der Herstellung des russischen Vakzins, eine entsprechende Absichtserklärung wurde bereits unterzeichnet. Venezuela, Bolivien und Argentinien haben Sputnik V bestellt, Mexiko erhält mehrere Zehntausend Dosen, und in wenigen Tagen beginnt Brasilien mit der Sputnik-V-Herstellung. Auf dem afrikanischen Kontinent machte Algerien den Anfang mit der Zulassung, Guinea impft auf experimenteller Basis mit Sputnik V. Die Nachrichtenagentur Interfax vermeldete, dass 40 Länder Interesse an dem Vakzin bekundet hätten.

Manchmal kommt es aber zu Rückschlägen. So entschied sich die israelische Regierung gegen Sputnik V. Von einer israelischen Privatklinik bestellte Impfdosen sollen nun über die Vereinigten Arabischen Emirate an ärmere arabische Staaten verteilt werden, darunter auch die palästinensischen Gebiete. Die Emirate gaben zunächst dem Vakzin des chinesischen Staatsunternehmens Sinopharm den Vorzug, nach Beendigung der klinischen Tests mit Sputnik V besteht allerdings die Aussicht auf eine Lizenzherstellung. Bis Ende Januar erwartet die Weltgesundheitsorganisation die vollständigen Angaben zu Sputnik V. Auf dieser Basis könnte nicht nur eine Notfallzulassung erfolgen, sondern auch die Zusammensetzung des russischen Impfstoffs publiziert werden.