Die Debatte über Aliens gibt Auskunft über menschliche Befindlichkeiten

Lebe lang und in Frieden

Was kümmert mich der Dax. Von

Ist es endlich so weit? Erst tauchen geheimnisvolle Monolithen auf, dann gibt Professor Haim Eshed, ehemals Leiter des israelischen Weltraumsicherheitsprogramms, der Zeitung Yedioth Achronoth ein Interview und enthüllt, dass die Außerirdischen längst Kontakt mit uns aufgenommen haben. Wobei unter »uns« vornehmlich die US-Amerikaner und in von Eshed nicht näher erläuterter Weise die Israelis zu verstehen sind, während »sie« eine »Galaktische ­Föderation« repräsentieren. Abgesehen vom Timing, das mit dem Termin der Veröffentlichung eines Buchs von Eshed harmoniert, gibt es noch einen anderen Grund für Zweifel. Eine geheime Forschungsstation auf dem Mars, von gutmütigen Außerirdischen verhinderte Atomkriege – das alles mag man vielleicht noch glauben. Nicht aber, dass die Aliens US-Präsident Donald Trump, der Eshed zufolge kurz davor war, ihre Existenz zu enthüllen, davon überzeugen konnten, nicht darüber zu twittern. Als Gegenleistung hätte Trump zumindest verlangt, dass die Aliens die Wahl für ihn manipulieren oder Joe Biden auf einen weit entfernten Planeten beamen.

Immerhin muss man Eshed zugute halten, dass er mit seinen Bezügen zu »Star Trek« in der Jean-Luc-Picard-Phase – eine wohlwollende Föderation befindet die Erdlinge für zu unreif, um aufgenommen zu werden, hilft aber hin und wieder unauffällig – wieder etwas Optimismus in die Alien-Debatte bringt. Bei dieser geht es ja nicht um Aliens, sondern um Vorstellungen von ­Aliens, die – von einigen wenigen phantasievollen Autoren wie Stanislaw Lem abgesehen – mit übersteigerten menschlichen Eigenschaften ausgestattet werden. Welche Eigenschaften dies in den populären Werken und Debatten sind, sagt etwas über die Stimmung auf der Erde aus. Und die ist schlecht, selbst die neue »Star Trek«-Serie »Disco­very« fällt recht düster aus. Zuvor hatte der chinesische Science-Fiction-Autor Cixin Liu eine »kosmische Soziologie« ins Gespräch gebracht, der zufolge Zivilisationen einander als potentielle Bedrohung betrachten, der mit präventiven interstellaren Vernichtungsschlägen zuvorzukommen sei.

Es ist noch zu früh, um beurteilen zu können, ob die Aufmerksamkeit, die Eshed zuteil wurde, einen neuen Trend anzeigt. Trump hat die Wahl verloren, die Impfungen gegen Covid-19 haben begonnen – die Aussicht auf eine Rückkehr zum kapitalistischen Normalbetrieb löst keine grenzenlose Freude aus, gibt aber insofern Anlass für ein wenig Optimismus, als die Zustände zumindest nicht noch dystopischer werden. Die Zeit bis zum Ende der Kontaktbeschränkungen können wir uns hoffentlich mit dem Rätseln über die Monolithen vertreiben, ohne dass diese als Kunst- oder Werbeaktion enttarnt werden. Das ist schließlich eine weitere Aufgabe der Aliens: Sie sollen der finstere Banalität des irdischen Daseins den Reiz des Geheimnisvollen verleihen.