Das Auto des ehemaligen AfD-­Politikers Tilo P. brannte, der Verdächtigte ist frei­gesprochen

Was tun, wenn’s brennt?

Raucherecke Von

Berlin-Neukölln ist nicht nur bekannt für seine Dönerimbisse, Hipsterbars und hohen Coronazahlen. Neukölln ist auch bekannt wegen einer langen Reihe nicht aufgeklärter rechtsextremer Anschläge. Die Verstrickungen von Polizei- und Justizangehörigen im rechten Milieu sind derart verzweigt, dass Innensenator Andreas Geisel (SPD) Ende September eine Expertenkommission eingesetzt hat, die das überprüfen soll. Zwischen 2016 und 2019 hatte es in Neukölln Brandanschläge, Stein- und Farbbeutelwürfe sowie Graffiti mit Drohungen und Hakenkreuzen gegen linke Einrichtungen, Initiativen und Einzelpersonen gegeben. Es geht um mindestens 72 Taten, darunter 23 Brandstiftungen. Die Polizei verdächtigt die drei Berliner Neonazis Sebastian T., Tilo P. und Julian B., denen sie jedoch die Taten bislang nicht nachweisen konnte.

Als am 30. Januar vergangenen Jahres das Fahrzeug des ehemaligen AfD-Politikers Tilo P. abbrannte, vermuteten einige Medien und auch die AfD dahinter einen Racheakt von Linken. P. selbst gab zu Protokoll, das Landeskriminalamt (LKA) habe ihn vor einem möglichen Anschlag auf sein Auto gewarnt.

In der Brandnacht nahm die Polizei in der Nähe des Tatorts tatsächlich einen Mann vorläufig fest, Ulrich O., und warf ihm Brandstiftung vor. Der Angeklagte hatte in der Vergangenheit auch bei antirassistischen NGOs gearbeitet, die zum Teil ebenfalls Ziel der Neuköllner Neonazis waren.

Die Abteilung für Staatsschutzdelikte der Staatsanwaltschaft unter dem damaligen Leiter Matthias Fenner verfasste die Anklageschrift gegen Ulrich O. Fenner war es auch, der die Ermittlungen zu der rechtsextremen Anschlagsserie geleitet hatte. Im August versetzte jedoch die übergeordnete Generalstaatsanwaltschaft Fenner und übernahm selbst die Ermittlungen zu der rechtsextremen Anschlagsserie, um dem Anschein einer möglichen Befangenheit Fenners zu begegnen. Den Ermittlungsakten zur Anschlagsserie zufolge soll Fenner nämlich Tilo P. signalisiert haben, dieser habe nichts zu befürchten, Fenner stehe selbst der AfD nahe.

Die beiden Verteidigerinnen des Beschuldigten Ulrich O., Martina Arndt und Undine Weyers, hatten bereits vor Prozessbeginn das vom LKA in Auftrag gegebene Brandgutachten als untauglich bezeichnet und kritisiert, dass sich die Anklage auf Vermutungen stütze. Am ersten Verhandlungstag am Berliner Amtsgericht vor zwei Wochen sprach Richterin Jeanette Karthaus den Angeklagten vom Vorwurf der Brandstiftung frei. Die Beweislage sei unzureichend. Ein Polizeibeamter habe einen anderen PKW beschrieben, der zudem an einem anderen Platz geparkt gewesen sein soll als der von Tilo P. Sogar die Staatsanwaltschaft plädierte nach den Zeugenvernehmungen auf Freispruch. Im November ist ein zweiter Prozesstag in einem Verfahren angesetzt, das abgetrennt wurde. Darin ist O. wegen Widerstands angeklagt, den er bei seiner Festnahme geleistet haben soll.