Die AfD buhlt um die Gunst der Immobilienwirtschaft

Alternative für das Immobilienkapital

In Zeiten von linken Vorstößen zur Regulierung des Wohnungsmarkts und zur Vergesellschaftung von Wohnraum könnte ein Bündnis aus CDU, FDP und AfD an Attraktivität für die Immobilienwirtschaft gewinnen.

Zwei Tage nachdem Thomas Kemmerich am 5. Februar mit den Stimmen von AfD, CDU und seiner eigenen Partei, der FDP, kurzzeitig zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt worden war, spendete der Berliner Immobilienunternehmer Christian Krawinkel dem thüringischen Landesverband der AfD 100 000 Euro. Der Spender begründete das mit den »aktuellen politischen Ereignissen« in dem Bundesland. Bekanntlich waren erstmals die Stimmen der AfD mitentscheidend bei der Wahl eines Regierungschefs auf Landesebene. Auch wenn bereits kurz nach der Wahl klar wurde, dass ein rechtes Bündnis in der derzeitigen politischen Gemengelage von kurzer Dauer ist, formulierte der Journalist Sebastian Friedrich in der Schweizer Wochenzeitung WOZ klar: »Die Farce um die Wahl macht offen diskutabel, was vorher nur hinter vorgehaltener Hand besprochen wurde« – nämlich eine Regierungsbeteiligung der AfD. Friedrich sah antikommunistische Ressentiments gegen den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow von der Linkspartei als ideologische Verbindung zwischen AfD, FDP und CDU. Die Wahrscheinlichkeit einer Zusammenarbeit von Konservativen, Liberalen und extremer Rechter steige, sollte »es dem linken politischen Spektrum gelingen, stärker die soziale Frage zu thematisieren«. Für das Kapital, so Friedrich, könnte diese Option angesichts von Berliner Debatten über die Enteignung größerer Immobilienunternehmen interessant werden, »um den Status quo der Eigentumsverhältnisse zu schützen«.
Doch wofür steht die AfD wohnungspolitisch, und lassen sich ihre Positionen mit denen von CDU und FDP verbinden? Eine Analyse der Anträge, Reden und Positionspapiere der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus sowie der Bundespartei zeigt, dass deren Wohnungspolitik im Wesentlichen auf vier Säulen ruht: die Förderung von Wohneigentum, die Ablehnung von regulativen Eingriffen in den Wohnungsmarkt, die Förderung der Konkurrenz unter marginalisierten Wohnungssuchenden und die Strukturförderung von ländlichen Regionen. Dabei verbinden sich neoliberale Ansätze mit konservativen und völkischen Elementen. Die Eigentumsbildung stellt den Kern des wohnungspolitischen Programms der AfD dar. Die Berliner Abgeordnetenhausfraktion besetzt mit der Forderung nach einem großangelegten Verkauf der landeseigenen Wohnungsbestände an die Mieterinnen und Mieter extrem neoliberale Positionen und folgt damit dem Vorbild der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher, die in ihrer Regierungszeit in den achtziger Jahren ein »right to buy« im council housing, der britischen Variante des öffentlichen Wohnungsbaus, einführte.
Hinzu kommen Anträge zur Förderung von Wohneigentum durch staatliche Beihilfen und den Erlass der Grundsteuer sowie die Senkung der Grunderwerbssteuer. Auf Bundesebene unterstützt die AfD das von der Bundesregierung auf Initiative von CDU und CSU eingeführte Baukindergeld als staatliche Förderung des Immobilienerwerbs für Familien mit Kindern. Es gehört zum konservativen Grundrepertoire Wohneigentum zu fördern, um die Verwurzelung und die Bindung an Heim und Scholle zu stärken; ebenso, ländliche Gemeinschaften zu unterstützen, wie es die AfD immer wieder fordert. In den Antragsbegründungen wird deutlich, dass Wohnungspolitik als Instrument zur Erziehung der Menschen dienen und je nach ideologischer Färbung verschiedene Formen des Zusammenlebens fördern soll.
Die AfD legt dabei den Schwerpunkt auf die bürgerliche Kleinfamilie, die in ihrem reaktionären Weltbild als »Keimzelle der Nation« gilt und die sie durch das »Einheimischenmodell« völkisch konnotiert. Die Vergabe von Bauland soll demnach an die Herkunft und den Familienstand gekoppelt werden. Einer eher liberalen Variante der Eigentumsförderung folgt die AfD mit ihrer Unterstützung von Genossenschaften. Das mag so manchen Linken verwundern, gelten Genossenschaften doch als sympathische Alternative mit vergleichsweise niedrigen Mieten. Als Eigentümergemeinschaften passen sie jedoch perfekt in die Ideologie der AfD. Mitglieder von Genossenschaften sind Kunden und Eigentümer zugleich. Statt dem gesellschaftlichen Ziel der sozialen Wohnraumversorgung für alle sind sie allein den Interessen der Eigentümergemeinschaft verpflichtet, der in der Regel Weiße aus der Mittelschicht angehören. Das genossenschaftliche Prinzip der Selbsthilfe lässt sich zudem mit neoliberalen Vorstellungen verbinden.

Bisher scheut das Kapital eine offene Kooperation mit der AfD, auf größeren Kongressen der Branche durften deren Vertreter noch nicht sprechen.

Auf Bundesebene stellt sich die AfD strikt gegen staatliche Eingriffe wie die harmlose, weil weitgehend wirkungslose »Mietpreisbremse«. Als einzige Partei stimmte sie gegen die Weiterfinanzierung der Förderprogramme für den sozialen Wohnungsbau. Teil ihrer neoliberalen Programmatik ist es, die Objektförderung auf Basis von vergünstigten Krediten für Bauherren in eine reine Subjektförderung in Form eines erhöhten Wohngelds zu überführen. In Berlin spricht sich die AfD gegen Quoten für Sozialwohnungen bei Bauprojekten aus, gegen das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum und gegen Milieuschutzsatzungen, die Mieterinnen und Mieter vor Luxusmodernisierungen schützen sollen. Der Milieuschutz schrecke Investoren ab und verhindere so »den Einsatz dringend benötigten privaten Kapitals für den Wohnungsbau«, heißt es in einem im September 2018 verabschiedeten Leitantrag der AfD.

Vor allem die FDP zeigte sich im Berliner Abgeordnetenhaus offen für eine Zusammenarbeit mit der AfD, sie beteiligte sich über Änderungsanträge konstruktiv an Anträgen der Rechtspopulisten und stimmte für die von der AfD beantragte Abschaffung einer Kontrollbehörde für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Geschlossen treten die Parteien in ihrer Gegnerschaft gegen den Berliner »Mietendeckel« auf. Nach den Bundestagsfraktionen von CDU und FDP hat auch die der AfD eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht ankündigt. Für das notwendige Quorum von einem Viertel der Abgeordneten verfügt sie aber nicht über genügend Sitze. In der antikommunistischen Polemik gegen den regulatorischen Eingriff der rot-rot-grünen Berliner Landesregierung, den AfD wie CDU und FDP im Abgeordnetenhaus als sozialistische Planwirtschaft darstellten, zeichnete sich eine weitere verbale Annäherung der drei Parteien ab.

Während die Renditen des Kapitals in der rechtspopulistischen Programmatik unangetastet bleiben, werden die ärmeren Teile der Gesellschaft gegeneinander ausgespielt. Die rassistische Hetze der AfD gegen Geflüchtete spiegelt sich auch in ihrer Wohnungspolitik wieder. So leugnet sie die Wohnungsnot in Großstädten in ihren Äußerungen oftmals, die strukturellen wie politischen Ursachen für die Probleme am Wohnungsmarkt projiziert sie auf die geflüchteten Menschen, mit deren massenhafter Abschiebung die Krise zu lösen sei. Auf den starken Rückgang der Zahl von Sozialwohnungen will die Partei mit einer drastischen Verkleinerung des Kreises der Berechtigten reagieren. Statt auf die »kleinen Leute«, als deren Anwältin sich die AfD geriert, zielt ihre Wohnungspolitik auf die traditionelle Mittelschicht. Rhetorisch wie politisch wendet sich die Partei gegen Mieter von Sozialwohnungen, die sie als »Problemklientel« abwertet und der »hart arbeitenden Bevölkerung« entgegensetzt, die deren Wohnungen subventioniere.

So buhlt die AfD um die Gunst des Immobilienkapitals. In einer Anhörung des Immobilienunternehmens »Deutsche Wohnen« beglückwünschte Harald Laatsch, der wohnungspolitische Sprecher der Berliner AfD-Fraktion, den Vorstandsvorsitzenden Michael Zahn zu seinem »gesunden Unternehmen«. Bisher scheut das Kapital jedoch eine offene Kooperation mit der AfD, auf größeren Kongressen der Branche durften deren Vertreter noch nicht sprechen. Das dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass bisher eine Machtoption fehlt. Sollte sich ein rechtes Bündnis abzeichnen, könnte sich das ändern. Wohnungspolitisch jedenfalls sind AfD, Union und FDP bereits koalitionsfähig.