Trotz der Präsenz ausländischer Truppen gelangen den Jihadisten in Mali mehrere Angriffe auf Armeestützpunkte

Säbel im Schlamassel

Trotz der Präsenz ausländischer Truppen gelangen den Jihadisten in Mali mehrere Angriffe auf Armeestützpunkte.

Im kommenden Jahr könnte der Auslandseinsatz der Bundeswehr im westafrikanischen Mali erweitert werden. Dort sind bereits rund 1 100 deutsche Soldaten im Rahmen einer Ausbildungsmission für die malische Armee in Koulikoro im Süden des Landes sowie als Unterstützer für die UN-Mission Minusma und französische Truppen im nördlichen Gao stationiert. Neben der französischen Armee und niederländischen sowie estnischen Streit­kräften könnten deutsche Soldaten mit Spezialkräften an der »Operation ­Säbel« im Norden Malis teilnehmen, um dort operierende Jihadisten zu bekämpfen. Es sollen jedoch auch Migrationsrouten und »Schlepperaktivi­täten« in dem Wüstengebiet überwacht werden.

In der Region hat sich die Lage in den vergangenen Wochen erheblich zu­gespitzt. Bei Angriffen auf Armeelager töteten Jihadisten insgesamt 100 malische Soldaten. Diese Angriffe ereigneten sich am 30. September und 1. Oktober in Boulikessi und Mondoro sowie am 1. November in Indelimane im Raum Ménaka; alle Stützpunkte liegen an der Grenze zu Burkina Faso. Zu den Angriffen bekannten sich zwei der in der Sahel-Zone kämpfenden jihadistischen Gruppen: Die »Gruppe zur Unterstützung des Islam und der Muslime« (GSIM) ist al-Qaida angegliedert, der »Islamische Staat in der Provinz der Großen Sahara« dem »Islamischen Staat« (IS). Am 2. November gelang es dieser Gruppe überdies, mit einer Sprengfalle den französischen Offizier Ronan Pointeau im Nordosten Malis zu töten.

Zwei Tage später reiste die französische Armeeministerin Florence Parly in die Sahel-Zone. Sie besuchte in der tschadischen Hauptstadt N’Djamena das Hauptquartier der französischen Antiterroroperation »Barkhane«, die 2014 begann. Derzeit überwachen die 4 500 Soldaten eine Zone von Maure­tanien im Westen bis zum Tschad im Osten. Parly hatte auch eine Unter­redung mit der Regierung Burkina Fasos und dem Präsidenten Malis, Ibrahim Boubacar Keïta. Dabei mahnte sie zu Geduld. Der Einsatz könne nicht innerhalb weniger Monate Erfolg zeitigen, sagte sie, sondern es sei erforderlich, Ergebnisse abzuwarten, die nur durch eine Kombination militärischer Mittel mit sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen zur Überwindung der Armut zu erreichen seien. Die französische Armee kündigte zudem eine neue Offensive an, »Bourgou IV«, und gab am 5. November bekannt, sie habe bereits einen knappen Monat zuvor den zweithöchsten Anführer des GSIM ausschalten können, den marokkanischen Staatsbürger Abou Abderahman al-Maghrebi alias Ali Maychou.

 

Mit der Geduld am Ende scheint allerdings die Opposition in Mali zu sein. Am 8. und 15. November demonstrierten Anhänger der parlamentarischen ­Opposition, der unter anderem der bei den Wahlen 2013 und 2018 gegen Amtsinhaber Keïta gescheiterte Präsidentschaftskandidat Soumaïla Cissé angehört, gegen die Präsenz der französischen Armee und für eine bessere Ausstattung der malischen Streitkräfte für ihre Einsätze im Norden. An der zweiten Demonstration nahmen nach ­Angaben der Veranstalter 15 000 Menschen teil, die Polizei sprach von meh­reren Tausend.

Zu dieser Zeit verbreiteten sich in den sozialen Medien Aussagen des bekannten malischen Sängers Salif Keïta. Dieser behauptet in verschwörungstheoretischem Duktus, der in der Gesellschaft immer mehr Anklang findet, Frankreich gebe nur vor, die Jihadisten zu bekämpfen, um einen Vorwand für die dauerhafte Präsenz seiner Armee zu haben; in Wahrheit finanziere Frankreich die Jihadisten.

Auch zwischen den betroffenen Ländern gibt es Konflikte. Burkina Fasos Verteidigungsminister Moumina Chériff Sy warf in einem Brief vom 18. November seinem Amtskollegen in Mali vor, dessen Armee habe kurz zuvor bei ­einem grenzübergreifenden Einsatz die Souveränität Burkina Fasos verletzt und im Dorf Abaye Zivilisten misshandelt. Drei von diesen seien gestorben, einer, als ihn ein Panzerfahrzeug überrollt habe. Berichten örtlicher Medien vom 15. November zufolge beschwerte sich die burkinische Regierung zudem, dass ausländische Flugzeuge die Einsatzgebiete ihrer Armee sowie deren Basen überflogen hätten, und forderte, dass solche Flugbewegungen in Zukunft 48 Stunden vorher angekündigt werden; andernfalls würden die eindringenden Flugzeuge als feindlich eingestuft. ­Deren Herkunftsländer wurden nicht genannt, doch kommen wohl nur französische Kampfflugzeuge in Frage. Die Regierung Burkina Fasos hat die ­Berichte nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert.

In einem Gastbeitrag für die Pariser Abendzeitung Le Monde mahnte der französische General Bruno Clément-Bollée, ein ehemaliger Berater des ­Außenministeriums, Frankreich müsse schnell seine Strategie überdenken. Um zu verhindern, dass der Sahel-Einsatz in einem bourbier (etwa: Schlamassel) ende und die örtliche Bevölkerung sich gegen ihn wende, müsse die frühere Kolonialmacht die wichtigsten militärischen Aufgaben örtlichen Kräften überlassen und dürfe nicht als Unterstützer korrupter Amtsträger ­erscheinen. Unterdessen hat die malische Regierung ihre Streitkräfte im November aus einem 50 Kilometer breiten Streifen an der Grenze zu Niger gänzlich in ausgebaute Stützpunkte zurückgezogen.