31.01.2019
Die Regierungsbeteiligung der Freien Wähler hat keine Mäßigung der bayerischen Asylpolitik bewirkt

Neue Koalition, alte Asylpolitik

Die bayerische Staatsregierung hält an ihrer harten Linie in der Flüchtlingspolitik fest. Die Hoffnung, die Regierungsbeteiligung der Freien Wähler werde eine Änderung bewirken, hat sich nicht erfüllt.

Nur sieben Tage hat es gedauert, dann fand im neuen Jahr bereits die erste Sammelabschiebung statt. Getroffen hat es 36 Menschen, die alle nach ­Afghanistan »zurückgeführt« wurden, 23 davon lebten in Bayern. Neben ­einigen Straftätern waren auch diesmal wieder mehrere Flüchtlinge unter den »Schüblingen«, wie sie zynisch genannt werden, die sich gut integriert hatten oder unverschuldet in Not geraten waren. Der Bayerische Flüchtlingsrat belegt das mit dem Beispiel eines ­Bauarbeiters aus Niederbayern, der nach einem folgenschweren Berufsunfall ­arbeitsunfähig wurde. Obwohl er als gut integriert galt, hielt die bayerische Staatsregierung an der Abschiebung fest.

Schlagzeilen machten die Ankerzentren nicht unbedingt durch schnellere und effektivere Asylverfahren, sondern vor
allem wegen mehrerer Großeinsätze der Polizei.

Es sind Beispiele wie dieses, die bei bayerischen Asylhelfern die letzte Hoffnung zerstört haben, dass sich die Flüchtlingspolitik doch noch zum ­Positiven verändern könnte. Dabei standen die Chancen noch vor wenigen Monaten gar nicht schlecht. Nach dem Debakel bei der Landtagswahl war die CSU gezwungen, eine Koalition mit den Freien Wählern (FW) zu bilden, um ­weiterregieren zu können. Im Wahlkampf hatte die Partei von Hubert ­Aiwanger moderate Positionen vertreten, die bei einigen Asylhelfern durchaus Anklang fanden. Selbst der Bayerische Flüchtlingsrat kam damals nicht umhin, »größere Schnittmengen« mit den Positionen der FW zu konstatieren – vor allem beim Arbeitsmarkt­zugang sowie der Ablehnung von Ankerzentren und Abschiebungen nach ­Afghanistan.

Viele Engagierte hatten die leise Hoffnung, dass sich endlich etwas bewegen werde in Bayern. Man traute den FW gar zu, dass sie den Christsozialen Zugeständnisse abtrotzen, ja die Asylpolitik insgesamt humanisieren würden. Doch diese Hoffnungen waren offensichtlich unbegründet, in den Koalitionsverhandlungen war die Asylpolitik kein größerer Streitpunkt. Im Gegenteil, die FW haben schnell entschieden, sich in allen zentralen Punkten bereitwillig der CSU anzuschließen. Auch wenn im Koalitionsvertrag den Flüchtlingshelfern pro forma mehr Unterstützung versprochen wird, dominiert der Begriff der »konsequenten Rückführungspraxis« den Text. Auf den Versuch, einen Kurswechsel in der Asyl­politik durchzusetzen, haben die FW komplett verzichtet.

Im Grundsatz wird in den kommenden fünf Jahren wohl alles so weiter­gehen wie bisher, sieht man einmal von einigen wohlklingenden Worten in Richtung der ehrenamtlichen Helfer ab, die keine praktische Konsequenz haben. Politisch müssen die FW wegen des Bruchs ihres Wahlversprechens kaum etwas befürchten. Ein Großteil ihrer Wähler ist konservativ eingestellt, und die wenigsten dürften sich ernstlich daran stören, dass die strikte Asylpolitik fortgeführt wird. Für bayerische Asylhelfer und in diesem Bundesland lebende Flüchtlinge aber kommt die Fortsetzung dieser Politik einer Katas­trophe gleich – schließlich gibt es eine Vielzahl von Gründen, die Asyl­politik zu ändern.

Zwar bemüht sich Bayern stets nach Kräften, sich als Vorreiter darzustellen und seine Asylpraxis als Vorbild an­zupreisen. Auf dem Höhepunkt der Debatte um die Ankerzentren, als viele Bundesländer dem Konzept ablehnend gegenüber­standen, wandelte Bayern im August vorigen Jahres ­sogar kurzerhand sieben regionale Unterkünfte in ­solche Einrichtungen um. Das sollte Druck auf die ­anderen Bundesländer ausüben, dem bayerischen ­Beispiel endlich zu folgen. Tatsächlich aber liegt ­einiges im Argen. Die Abschiebungen von gut integrierten Menschen, die längst einen Arbeitsplatz gefunden hatten, sind nur das ­offensichtlichste Beispiel.

Auch die gewünschten Resultate der Ankerzentren sind bislang ausgeblieben. In diesen Einrichtungen sollen zentral alle Asylanträge bearbeitet werden; nur wer einen positiven Bescheid erhält, hat eine Chance, aus den Unterkünften auszuziehen. Dazu wurden an Ort und Stelle alle relevanten Stellen gebündelt, darunter das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Verwaltungsgerichte. Eigentlich hätte das einen Beitrag leisten sollen, die teils langen Bearbeitungszeiten bei den Asylanträgen zu verkürzen. Doch Schlagzeilen machten nicht unbedingt schnellere und effektivere Asylverfahren, sondern vor allem mehrere Großeinsätze der Polizei.

So kam es am 10. Dezember im Bamberger Ankerzentrum zu einem dramatischen Vorfall, als eine nächtliche Ruhestörung eskalierte. Nachdem ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes ­angegriffen worden war, rückte die Polizei an. Beim folgenden Einsatz verschanzten sich mehrere Bewohner, bewarfen die Einsatzkräfte mit Pflastersteinen und legten mutmaßlich ein Feuer. Es entstand ein Sachschaden von etwa 100 000 Euro. Dabei hätte die Staatsregierung gewarnt sein können: Schließlich hatten Flüchtlingsorgani­sationen immer wieder vor solchen Situationen gewarnt – unter anderem mit dem Argument, die unsichere Situation in derartigen Unterkünften und die Abgeschiedenheit begünstigten gewalttätige Eskalationen.

Die Freien Wähler hatten die Möglichkeit, einen vorsichtigen Richtungswechsel einzuleiten, die Situation zu entspannen. Es wäre vermutlich nicht mehr nötig gewesen, als einige Forderungen aus dem Wahlprogramm selbstbewusst gegenüber der CSU zu vertreten. Immerhin hatten die Kon­servativen keine ernsthafte Alternative zu einer Regierungsbildung mit dem FW. Stattdessen entschied man sich für den Weg des geringsten Widerstands – nämlich an der bisherigen verfehlten Politik festzuhalten.

Bei vielen Asylhelfern sorgt das für maßlose Enttäuschung. Bereits bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags beklagte der Flüchtlingsrat, dass es sich um einen »Totalausfall« handle. »Wo menschenwürdige Aufnahme und humane Lebensbedingungen not­wendig wären«, so dessen Sprecher Alexander Thal, »wollen CSU und Freie Wähler nur Repression, Lagerunterbringung und Verbote aller Art.« Die ­Union könne ihre »menschenfeindliche Asylpolitik« mit Billigung der Freien Wähler fortsetzen.
Mittlerweile hat sich die Kritik noch verschärft, insbesondere nach der jüngsten Abschiebung. In einem offenen Brief an Innenminister

Joachim Herrmann (CSU) kritisiert die Organisation Matteo, ein Zusammenschluss kirchlicher Asylhelfer, dass die Regierung sämtliche Zusagen gebrochen habe, zu einer humanen Asylpolitik zurückzukehren. Man habe erwartet, so Geschäftsführer Stephan Theo Reichel, dass die FW eine humanitäre Wende ­erreichen würden. Das sei nicht geschehen, allen Beteuerungen zum Trotz. Es bleibe zu hoffen, dass die Staatsregierung wenigstens zukünftig »in christ­licher Verantwortung« umkehre und »diese menschenverachtenden Abschiebungen« endlich einstelle. Freilich dürfte das ein frommer Wunsch ­bleiben.