Kritische Astrologie - Karl Marx und seine Macht über unser Leben

Der Astrologie gehört die Zukunft

Kolumne Von

Nahezu geräusch- und schmerzlos ist es an uns vorübergezogen, das Marx-Jahr 2018. Es gab einen stimmungsvollen Fernsehfilm, in dem ein sehr betrunkener Karl Marx durch perfekt ausgeleuchtete Kulissen­städte torkelte; es gab das übliche Geschmarre im Feuilleton (»Karl Marx konnte nicht mit Geld umgehen«, Zeit Online); es gab eine wunderschöne Skulptur in Trier, die allerdings von China bezahlt werden musste. Von einer revolutionären Situation hingegen: keine Spur! Umwerfung aller Verhältnisse? Fehlanzeige! Enteignung der Fabrikbesitzer? Durch Beschluss der Großen Koalition auf das Jahr 2025 verschoben. Marx, ein zahnloser Bartagame? Ganz anders sah das Marx-Jahr auf den Astro-Seiten aus: Hier flogen die Fetzen, hier wurde Marxens Feuerpower in epischer Breite dargelegt, wie zum Beispiel auf astrotheme.com: »Karl Marx, Feuer ist dominant in deinem Geburtshoroskop, stattet dich mit Intuition, Energie, Mut, Selbstbewusstsein und Enthusiasmus aus. Du neigst dazu, leidenschaftlich zu sein, du behauptest deinen Willen, du bewegst dich nach vorne und möge die Hölle kommen, du erreichst deine Träume und Ziele.« Da hätte sich das beliebte Stier-Männchen Marx (Aszendent: Wassermann) sicher gefreut – allerdings im Stillen. Er rechnete mit Epikur die Astrologie nämlich dem Aberglauben zu, sah mit ihm »die zölestischen Körper als zufällige Komplexionen der Atome«. Auch dies nur einer der vielen Irrtümer, die wir Marx heute zurechnen müssen. Die »Astrologie-Zeitung« lobt hingegen seinen »quasireligiösen Zugang zum System Taler, Money, Cash«, »was für eine massive Jupiter-Betonung spricht«: »Höher steht der ziemlich rege Uranus, der ihn zum maßstäblichen Rebellen machte und im Verein mit Neptun rund um das Galaktische Zentrum die Brüche ins gesellschaftliche Korsett hämmerte.« Während Zeit Online Marx den Zahn zieht, bricht das Astro-Feuilleton mit Marx direkt ins galaktische Zentrum auf, um dort alles kurz und klein zu hämmern. Jetzt wird wohl jedem klar: Die nächste Revolution kann, darf, wird nicht ohne Astro­logen auskommen!