In Indien werden Menschenrechtler auf Grundlage des Antiterrorgesetzes verfolgt

Modis kommunistische Gespenster

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Um die Festnahmen im August unter Berufung auf das UAPA zu legitimieren, nennt die Polizei die Festgenommenen »städtische Naxaliten« und wirft ihnen Verbindungen zur verbotenen maoistischen Kommunistischen Partei Indiens (CPI) vor. Die sogenannten Naxaliten sind eine maoistisch geprägte Guerilla-Bewegung, die hauptsächlich in ländlichen Gebieten im Osten Indiens agiert. Ursprünglich kämpften sie für die unterdrückte und von Vertreibung betroffene Landbevölkerung. Der Guerilla werden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Von der indischen Regierung wird sie als terroristische Organisation eingestuft. Ein weiterer Vorwurf gegen die fünf Festgenommenen lautet, dass sie großan­gelegte Anschläge geplant hätten, um in Indien Chaos zu verbreiten. Auch ein Anschlag auf den Ministerpräsidenten Narendra Modi (BJP) sei geplant ­gewesen.

Die Vorwürfe bleiben vage. Der UAPA ermöglicht Festnahmen, Versammlungsverbote sowie das Verbot ganzer Organisationen, sobald sie verdächtigt werden, sich gegen die Souveränität des Staats zu richten. Im Namen der Terrorabwehr kann die Regierung so gegen linke Regimekritiker vorgehen. Auch bei den indischen Vertretungen der NGOs Amnesty International und Greenpeace gab es kürzlich Razzien. Ihre Büros wurden durchsucht, die ­Lizenzen ausgesetzt und Konten eingefroren. Als Grund wurden Verstöße ­gegen die Regeln zur Annahme ausländischer Spenden angegeben. Die Organisationen gehen jedoch von politischen Motiven aus.

Venkitesh Ramakrishnan vom Nachrichtenmagazin Frontline und andere indische Journalistinnen und Journalisten sehen hinter den Festnahmen von Regierungskritikern eine Strategie der BJP, um die Massen zu mobilisieren und Gewalt gegen Minderheiten und Oppositionelle zu schüren. Durch die hindunationalistische Propaganda solle ein klares Bild von Gut und Böse gezeichnet werden. Für viele Reaktionäre werden so aus Regierungskritikern maoistische und antinationale Terrorristen. Unterdrückte Minderheiten wie Dalits oder Muslime werden zu einer Gefahr für Indien stilisiert.
Der derzeit laufende Wahlkampf für die Parlamentswahlen im Mai 2019 ­befeuert die BJP darin, rigoros gegen ihre Kritikerinnen und Kritiker vor­zugehen. Ramakrishnan zufolge will die BJP damit davon ablenken, dass die Politik der Regierung Modi in vielen Punkten gescheitert ist. Vor allem das Versprechen, Wohlstand für alle durch hohes Wirtschaftswachstum zu fördern, konnte sie nicht einlösen.

Die Historikerin und emeritierte Professorin Romila Thapar aus Neu-Delhi initiierte mit vier Mitstreitern nach den Festnahmen eine Petition, in der sie die sofortige Freilassung der Menschenrechtler fordern. Thapar warnt vor ­einer fortdauernden Kampagne gegen die Grundsätze der indischen Verfassung und wertet die Festnahmen aufgrund fiktiver Straftaten als schweren Machtmissbrauch, um Oppositionelle einzuschüchtern und mundtot zu ­machen. Auch zahlreiche Initiativen wie »Mumbai Rises to Save Democracy«, die über soziale Netzwerke, Kundgebungen und öffentliche Veranstaltungen auf Diskriminierung und Repression aufmerksam machen, setzen sich für die Freilassung von inhaftierten Menschenrechtlern ein.