Neonazis haben am 90. Geburtstag der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck für deren Freilassung demonstriert

Geburtstag im Knast

In Bielefeld demonstrierten am Wochenende Tausende Menschen gegen 400 Neonazis, die die Freilassung der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck forderten.

Sechs Wasserwerfer, mehrere Räumfahrzeuge und ungefähr 2 000 Polizistinnen und Polizisten – es dürfte der größte Polizeieinsatz gewesen sein, den Bielefeld je gesehen hat. Neonazis demonstrierten am Samstag anlässlich des 90. Geburtstags von Ursula Haverbeck, Deutschlands bekanntester Holocaustleugnerin, in der Stadt. Haverbeck selbst konnte an der öffentlichen Geburtstagsveranstaltung nicht teilnehmen, sie verbüßt zurzeit wegen Volksverhetzung eine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bielefeld-Brackwede.
Bereits im Mai hatten Neonazis kurz nach Haverbecks Inhaftierung in Bielefeld demonstriert, um die Frei­lassung der alten Frau zu fordern. Dieses Mal fanden sich nach Polizeiangaben 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem ­gesamten Bundesgebiet am Bielefelder Hauptbahnhof ein, um ihre Unterstützung für Haverbeck zu zeigen.

Diese sitzt erstmals im Gefängnis. Zwar hatte sie wiederholt den Holocaust geleugnet und sich seit 2004 deshalb mehrfach vor Gericht verantworten müssen, war aber stets mit Geld- oder Bewährungsstrafen davongekommen oder hatte Revision eingelegt, so dass gefällte Urteile noch nicht rechtskräftig geworden waren. Das Landgericht Verden verurteilte sie im August 2017 schließlich wegen Volksverhetzung in acht Fällen zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung. Zum Haftantritt im Mai erschien sie allerdings nicht. Die Polizei verhaftete sie in ihrem Wohnhaus in Vlotho und brachte sie in die Justizvollzugsanstalt.

Auch eine Beschwerde vor dem ­Bundesverfassungsgericht konnte Haverbeck nicht vor dem Gefängnis ­bewahren. Sie war der Ansicht, ihre Leugnung des Holocaust sei vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Das sah das Bundes­verfassungsgericht anders und wies die Beschwerde im August ab: »Eine Bestrafung wegen Leugnung des nationalsozialistischen Völkermords ist grundsätzlich mit Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz vereinbar. Die Verbreitung erwiesen unwahrer und bewusst ­falscher Tatsachenbehauptungen kann nicht zur Meinungsbildung beitragen und ist als solche nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.«

Haverbeck zieht zwar auch historische Quellen heran – zuletzt etwa die Kommandanturbefehle aus dem Vernichtungslager Auschwitz –, verdreht die Tatsachen allerdings und legt sie völlig falsch aus. So soll der Eindruck ent­stehen, ihre Holocaustleugnung ­ließe sich wissenschaftlich belegen.

Vertreter der neonazistischen Kleinpartei »Die Rechte« hatten die Demonstration für die inhaftierte Jubilarin organisiert. Dem Aufruf folgten auch Reichsbürger, Burschenschaftler, NPD-Mitglieder und mutmaßliche ­Mitglieder des Terrornetzwerks Combat 18. Dieses gilt als bewaffneter Arm der in Deutschland seit dem Jahr 2000 verbotenen Organisation Blood and Honour.

Auch Thorsten Heise, eine der einflussreichsten Personen aus dem deutschen Neonazimilieu, kam nach Bielefeld. Er ist nicht nur der Landesvorsitzende der NPD in Thüringen und Veranstalter großer Rechtsrockkonzerte. Einem Bericht der antifaschistischen Plattform Exif vom Juli zufolge ist Heise auch Mitbegründer von Combat 18 in Deutschland. Der selbsternannte »Volkslehrer« Nikolai Nerling, ein rechtsextremer Youtuber, der sich gerne zusammen mit Holocaustleugnern zeigt, hielt zu Beginn der Demonstration am Hauptbahnhof eine Rede. Nerling war in Berlin als Grundschullehrer tätig, bis er wegen erheblicher Zweifel an seiner persönlichen Eignung gekündigt wurde.

Zur ersten Straftat des Tages war es bereits gekommen, noch bevor alle Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer das Durchsuchungszelt passierten und den Ort der Versammlung erreichten. Ein Mann hatte vor Journalistinnen und Journalisten den Kühnen-Gruß gezeigt. Dieser erfüllt den Straftatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Im Durchsuchungszelt beschlagnahmte die Polizei außerdem Pfefferspray.

Vom Hauptbahnhof aus ging es für die Neonazis durch die Bielefelder Innenstadt zum Landgericht. Vorneweg lief ein Block mit großer Beteiligung von Dortmunder Nazis. Vereinzelt riefen Demonstrationsteilnehmer die ­Parole »Wer Deutschland liebt, ist Antisemit«, was zuvor per Auflage untersagt worden war.
Immer wieder skandierten die ­Demonstranten: »Haverbeck freilassen!« Am Landgericht kam es zu einer langen Zwischenkundgebung der Neonazis. Hier wurde die Bedeutung ­Haverbecks für das deutsche Neo­nazimilieu deutlich. Mehrere Rednerinnen und Redner feierten sie als »Deutschlands mutigste Dissidentin« und Märtyrerin. Wiederholt bemühten sie das Bild von der lebensfrohen und rüstigen 90jährigen, die im Gefängnis »den ganzen Tag friert«, und das nur, weil sie »ein abweichendes ­Geschichtsbild« vertrete und »Fragen gestellt« habe.

Sven Skoda von »Die Rechte« pries Haverbecks Holocaustleugnung sogar als »Heldentat«. Mehrfach bezeichneten Redner die Verurteilung der ­alten Frau als unrechtmäßig, Haverbeck sei »ein Opfer schwersten kriminellen Unrechts«, da ihre Aussagen durch die Meinungsfreiheit gedeckt seien.

Thorsten Heise bezeichnete Haverbeck als »Traumgroßmutter« und lobte ihre Verdienste für die extreme ­Rechte, insbesondere das Collegium Humanum. Diesen Verein hatte ­Haverbecks damaliger Ehemann, der überzeugte Nationalsozialist Werner Georg Haverbeck, 1963 gegründet. 2008 hatte der damalige Bundesinnen­minister Wolfgang Schäuble (CDU) das Collegium Humanum wegen »fort­gesetzter Leugnung des Holocaust« verboten.

Auf der Gegenseite hatten sich nach Angaben der Veranstalter mehr als 10 000, nach Informationen der Polizei etwa 6 000 Menschen in Bielefeld eingefunden. Das »Bündnis gegen rechts« wollte »ein Zeichen für ein buntes und weltoffenes Bielefeld und gegen Holocaustleugnung« setzen.

Viele der Gegendemonstrantinnen und -demonstranten versammelten sich auf dem Bahnhofsvorplatz. Zahlreiche ­Parteifahnen waren dort zu ­sehen, auch die Flaggen von Organisationen wie »Die Falken«, des DGB und der ­Föderation demokratischer Arbeitervereine (DIDF). Die Gegen­demons­tranten begrüßten die ankommenden Rechtsextremen mit Musik, Triller­pfeifen und lautstarken Parolen.

Auch in den Seitenstraßen entlang der Aufmarschroute der Nazis hatten sich Protestierende eingefunden, zeitweise kam es zu kleineren Sitzblockaden. Wegen einer Blockade konnte die Polizei die Nazis nicht auf dem vorge­sehenen Abmarschweg zum Bahnhof Brackwede schleusen, sie leitete den gesamten Aufzug auf der Demonstrationsroute zurück zum Hauptbahnhof. Für die Nazis dürfte diese Komplikation zu verkraften gewesen sein, schließlich hatte die Polizei bis dahin für einen planmäßigen Ablauf der Geburtstagsdemonstration gesorgt.