In Irland soll es ein Referendum über die Abschaffung des Straftatbestands der Blasphemie geben

Über Gott darf gelästert werden

Irlands Regierung stellt den umstrittenen Blasphemieartikel der irischen Verfassung zur Volksabstimmung. Nach der Legalisierung von Abtreibung ist dies ein weiterer progressiver Schritt des von christlichem Konservatismus geprägten Landes.

Im Mittelalter konnte man in Irland für blasphemische – das hieß damals meist kirchenfeindliche – Äußerungen noch öffentlich verbrannt werden. Später waren Gefängnis- und Geldstrafen oder Ausweisungen gängiger. War es zunächst nur Gewohnheitsrecht, ist das Blasphemiegesetz seit 1937 Teil der Verfassung der irischen Re­publik. Das Gesetz bezog sich ursprünglich nur auf Lästerung gegen das Christentum. Doch 2009 verabschiedete die konservative irische Regierung ein Gesetz, das für Blasphemie eine Geldstrafe von 25 000 Euro festlegte und den Artikel dahingehend änderte, dass die Verunglimpfung jeder Religion ­bestraft wird.

Die derzeitige liberal-konservative irische Regierung will nun die Abschaffung des Blasphemieartikels im Oktober zur Volksabstimmung stellen. Sie hält den Artikel und das dazugehörige Gesetz für bedeutungslos und veraltet. Gesundheitsminister Simon Harris nannte den Artikel »albern« und »ein bisschen peinlich«. Tatsächlich scheint das Blasphemieverbot lediglich pro forma zu bestehen. Seit 1855 hat keine irische Regierung einen Verstoß strafrechtlich verfolgt.

Das geplante Referendum ist symptomatisch für den schwindenden Einfluss der katholischen Kirche auf die irische Gesellschaft. Erst vor kurzem stimmte die irische Bevölkerung in einem Referendum mit großer Mehrheit für die Legalisierung der Abtreibung, obwohl die Kirchen diese ablehnen. Die Regierung sieht daher gute Chancen, dass die irische Bevölkerung auch die Abschaffung des Blasphemiegesetzes unterstützen wird. Nach Volksabstimmungen in den vergan­genen Jahren waren bereits Ehescheidungen sowie gleichgeschlechtliche Ehen legalisiert worden. Irland war das letzte westeuropäische Land, in dem Abtreibung verboten war.

Irische Atheistinnen und Atheisten begrüßen das geplante Referendum. Ihrer Ansicht nach ist die Abschaffung des Blasphemieartikels längst überfällig. Denn obwohl in der Praxis keine strafrechtliche Verfolgung stattfand, gefährde der Verfassungsartikel die Meinungsfreiheit und begünstige Selbstzensur aus Angst vor Strafe. Während die Kirchen in Irland die Legalisierung von Ehescheidungen, gleichgeschlechtlichen Ehen und Schwangerschaftsabbrüchen weiterhin ablehnen, zeigen sie sich weniger reaktionär in Hinblick auf das Blasphemiegesetz. Selbst der irische Kirchenrat hält das Gesetz für obsolet. In einer von 14 Kirchen – darunter die katholische, evangelische und orthodoxe sowie das Quäkertum – unterschriebenen Erklärung wird argumentiert, dass es besser sei, wenn spezielle Gesetze die Religionsfreiheit gewährleisten und dies durch eine Antidiskriminierungsgesetzgebung untermauert werde.

Die Kirchen stört es außerdem, dass totalitäre Regime im Rest der Welt den Blasphemieartikel zum Vorbild nehmen, um damit Gewalt und Unterdrückung zu legitimieren. Die Organisa­tion für Islamische Zusammenarbeit etwa, der 57 Staaten angehören, sieht das Gesetz als beispielhaft, um in ihrem Sinne die Meinungsfreiheit einzuschränken. Pakistan schlug beim UN-Menschenrechtsgipfel 2009 vor, dessen exakten Wortlaut zu übernehmen.

Neben einer winzigen christlichen Bruderschaft in Dublin ist die einzige größere religiöse Gruppe in Irland, die eine Abschaffung des Gesetzes nicht befürwortet, die muslimische Gemeinde. Das Islamic Cultural Centre of Ireland (ICCI) bezeichnet die derzeitige Blasphemiegesetzgebung in Irland als zufriedenstellend und sieht die Konkretisierung des Straftatbestands im Jahr 2009 positiv. Ali Selim, der Sprecher des Kulturzentrums, betonte aber, dass es zusätzlich noch Gesetze gegen Verbrechen geben müsse, die aus Hass oder Vorurteilen begangen werden.

Die irische Regierung sieht diese und andere Verfassungsänderungen als Teil der Modernisierung der Republik. »Durch die Entfernung dieses Artikels aus der Verfassung können wir der Welt deutlich mitteilen, dass Blasphemiegesetze nicht die irischen Werte widerspiegeln und dass wir überzeugt sind, dass solche Gesetze nicht existieren sollten«, so der Justiz- und Gleichstellungsminister Charles Flanagan.

Nach dem Referendum über das Blasphemiegesetz wird es aller Voraussicht nach ein weiteres über eine umstrittene Passage in der Verfassung geben, die sich auf »das Leben der Frau im Haus« bezieht. Da Frauen durch ihre Hausarbeit dem Gemeinwohl dienten, habe der Staat dafür zu sorgen, dass Mütter nicht aus ökonomischen Gründen berufstätig werden müssten und damit ihre häuslichen Pflichten vernachlässigten, heißt es dort.