Marokko hat die diplomatischen Beziehungen zum Iran abgebrochen

Wüste Fronten

Marokko wirft dem iranischen Regime vor, die westsaharische Unabhängigkeitsbewegung Polisario indirekt durch die Hizbollah zu unterstützen. Anfang Mai brach Marokko die diplomatischen Beziehungen zum Iran ab. Auch das Verhältnis zum Nachbarland Algerien hat sich verschlechtert.

Der Konflikt zwischen dem Iran und Saudi-Arabien und ihren jeweiligen Verbündeten strahlt auch auf den Maghreb aus. Insbesondere seit dem 1. Mai zeichnen sich die Frontlinien dort ­immer schärfer ab. An jenem Tag hatte der marokkanische Außenminister Nasser Bourita den Geschäftsträger der iranischen Botschaft in Rabat zu sich einbestellt und ihn zur sofortigen Ausreise aufgefordert. Der vormalige ­iranische Botschafter hatte Marokko bereits zuvor verlassen, da sich die ­bilateralen Beziehungen verschlechtert hatten. Ende April war Bourita nach ­Teheran geflogen, um dort offiziell die Entscheidung zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen kundzutun.

Marokko wirft der Islamischen ­Republik Iran vor, sie habe indirekt die Volksfront zur Befreiung von Saguía ­al-Hamra und Río de Oro unterstützt, besser bekannt unter ihrem alten spa­nischen Namen Frente Polisario. Diese 1973 gegründete Gruppe kämpfte zunächst gegen die Besatzung der Westsahara durch Spanien und kurz darauf durch Marokko. Unterstützt habe der Iran die Polisario über die schiitische Partei und Miliz Hizbollah im Libanon, deren wichtigster politischer und ­militärischer Verbündeter von Beginn an das iranische Regime war.

Marokko konkurriert bereits seit Jahrzehnten mit seinem Nachbarland ­Algerien. 1963 lieferten sich die beiden Länder, die gerade unabhängig geworden waren – das französische Protektorat über Marokko endete 1956, die ­Kolonialherrschaft über Algerien 1962 – einen »Wüstenkrieg«, in dem es um den Grenzverlauf ging. Nachdem Spanien sich 1975 aus seiner bisherigen Kolonie Westsahara zurückgezogen hatte und Marokko die Region besetzte, verschärften sich die regionalen Spannungen. Seitdem unterstützt Algerien die westsaharische Befreiungsbewegung Polisario, die einen eigenständigen Staat anstrebt und ihren Hauptstützpunkt im algerischen Tindouf unterhält, wo zahlreiche Sahraouis, Menschen aus der Westsahara, in Flüchtlingscamps leben. Marokko bemüht sich seit 1975 darum, Marokkaner in der Westsahara anzusiedeln, und beutet die dortigen Phosphatvorkommen aus.

Während des Kalten Kriegs war ­dieser Konflikt auch ideologisch aufgeladen. Marokkos Regime erhielt offene Unterstützung von den USA und der früheren Kolonialmacht Frankreich. ­Algeriens Regierung ging eine Allianz mit dem sowjetischen Block ein. Die UdSSR und ihre Verbündeten unterstützten in den sechziger und siebziger Jahren antikoloniale, nationale Befreiungsbewegungen, Algerien beherbergte zahlreiche Mitglieder dieser Bewegungen und galt zeitweilig als »Mekka der Revolutionäre der Dritten Welt«.

Die neuen Frontlinien ähneln zumindest vordergründig den alten. Die sunnitischen Golfmonarchien, die seit der Revolution gegen das Schahregime und der folgenden islamistischen Konterrevolution unter Khomeini von 1979 dem Iran misstrauten, unterstützen Marokkos Königshaus. Hinzu gesellen sich die USA. Algerien steht dem Lager des Iran und Syriens nahe, in das das marokkanische Regime auch die Polisario drängen möchte.

Am 1. Mai behauptete Marokko, Kader der Hizbollah gingen in Tindouf ein und aus. Ferner habe die Hizbollah der Polisario Boden-Luft-Raketen vom Typ Sam 9 und Sam 11 geliefert; ein Mitglied der iranischen Botschaft in ­Algerien soll das Geschäft mit organisiert haben. Innerhalb weniger Stunden erklärten Saudi-Arabien, die Golfstaaten Bahrain und Kuwait sowie die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Unterstützung für König Mohammed VI. Zustimmung kam auch von Katar, obwohl dessen Regime 2017 von den übrigen Golfstaaten attackiert und diplomatisch isoliert worden war, unter anderem weil es Geschäftsbeziehungen zum Iran unterhielt. Marokko warf ­Algerien vor, auf Seiten des Iran und der Hizbollah zu stehen. Marokkanische Parlamentsabgeordnete forderten diplomatische Konsequenzen für Algerien.

Dessen Regierung schickte am 13. Mai ein formelles Dementi, stritt Beziehungen zur Hizbollah ab und sprach von einer marokkanischen Kampagne. Die Hizbollah wiederum warf Marokko in einem Kommuniqué vom 1. Mai vor, »unter dem Druck der USA, Israels und Saudi-Arabiens« Falschbehauptungen zu verbreiten. Am 25. Mai behauptete der Hizbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah, die falschen Informationen gingen auf israelische Geheimdienste zurück.