Die AfD ruft zu einer Großdemonstration in Berlin auf

Neue Taktik, altes Weltbild

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Leicht lässt sich die Heuchelei der AfD in Frauenrechtsfragen erkennen. Eine Partei, die direkt nach ihrer Gründung eine Kampagne mit dem Titel »Warum ich keine Feministin bin« begann, interessiert sich nicht für Frauenrechte. Den real existierenden Feminismus diffamieren AfD-Politiker als »totalitären Genderwahn« und besonders die christlich-fundamentalistische Strömung um Beatrix ­von Storch kämpft im Namen eines traditionellen Fami­lienbildes gegen das Recht auf Abtreibung, Sexual­aufklärung und die gleichgeschlechtliche Ehe.

Ähnlich absurd ist es, wenn sich die extremen Rechten als Kämpfer gegen den Antisemitismus gerieren. Es findet sich reichlich Antisemitismus in ihren eigenen Reihen. Beispielsweise bei Wolfgang Gedeon, dem Autor anti­semitischer Pamphlete, der weiterhin AfD-Mitglied und Abgeordneter im ­baden-württembergischen Landtag ist.

Die Rechten warnen zwar auch vor dem real existierenden Islamismus, der tatsächlich eine Gefahr für Frauen, ­Juden und Homosexuelle darstellt. Solche Warnungen verbindet die Partei ­jedoch stets mit rassistischen Angstphantasien – etwa von den »barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden« (Beatrix von Storch) – und der Forderung nach nationaler Abschottung und einer rigiden Abschiebepolitik. Auch der Leiter der österreichischen Identitären, Martin Sellner, der Kontakte zum völkischen Flügel der AfD unterhält, wurde bei einem USA-Besuch deutlich, als er beklagte, dass deutsche Eltern ihre Kinder der »Multikulti-Ideologie« opferten und »viele weiße Mädchen diese Bestien selbst in ihr Zuhause einladen«. Für die Rassisten sind muslimische Männer »Bestien«, also barbarisch und gefährlich – und vor allem nicht in der Lage, jemals ihre kulturelle Prägung zu überwinden.

»Deutsche Opfer, fremde Täter« – so hieß eine Internetseite, auf der der Leiter des neurechten Antaios-Verlags und Chefredakteur der Sezession, Götz Kubitschek, »Ausländergewalt« dokumentierte. Aus dem Slogan spricht die in der extremen Rechten weit verbreitete Wahnvorstellung, dass sich auf deutschen Straßen ein Bürgerkrieg zwischen ethnischen Kollektiven abspiele, in dem besonders Frauen zur Beute der Fremden würden. Das Recht von Frauen, sich sicher im öffentlichen Raum zu bewegen, interessiert diese Leute  nur, solange es in das propagandistische Schema der »Ausländergewalt« passt. Über #MeToo twitterte der sachsen-anhaltinische AfD-Politiker André Poggenburg einmal, diese Bewegung sei »nur noch peinlich und überflüssig. Als ob es keine wirklichen Probleme gibt, wie beispielsweise tägliche sexuelle Übergriffe durch sogenannte Flüchtlinge!« Der AfD geht es nicht darum, emanzipatorische Errungenschaften zu retten. Wenn sie vorgibt, »unsere Werte« verteidigen zu wollen, sind nicht universelle Freiheitsrechte gemeint, sondern lediglich die partikulare Kultur »des deutschen Volkes« – das »Eigene«, durch die fremden Invasoren bedroht.

Das schließt, bei aller rassistischen Verachtung, einen gewissen Respekt, ja fast Neid seitens der extremen Rechten mit ein. So wie sie die Muslime imaginieren – roh chauvinistisch, unbefleckt von Genderwahndekadenz, selbstbewusst im Glauben und in der eigenen »Identität« – wären sie selbst gerne. »Wir dürfen uns bitte nicht wundern, wenn diese Muslime, die zu uns kommen, die klar an ihrem Glauben hängen, die stolz auf ihre Kultur sind – das sei ihnen unbenommen –, unsere verachten, weil wir sie offensichtlich selber verachten«, sagte von Storch in einer Rede im Bundestagswahlkampf.

Den Deutschen dagegen sei durch die Niederlage im Zweiten Weltkrieg nicht nur der Nationalstolz, sondern auch das »innere Rückgrat« und die Männlichkeit geraubt worden. So formulierte es Gauland in einem Interview mit der Zeit, in dem er sich bange fragte, ob »diese Deutschen eine Krise überstehen« könnten, »so ökologisch, feminin«, wie sie heutzutage seien.

Die Klage der extremen Rechte über die Dekadenz der Deutschen macht auch die Krise der rechtsextremen Männlichkeitsvorstellungen deutlich. Nicht von ungefähr kam der letzt­jährige Hit des Antaios-Verlags vom US-amerikanischen Trash-Maskuli­nisten Jack Donovan, der als Antidot gegen den ach so weibischen Libera­lismus die »barbarische Männerhorde« anpreist. »Nur Barbaren können sich verteidigen« hieß sein zuletzt bei Antaios erschienenes Buch. Auch der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke machte sich Sorgen um die Wehrhaftigkeit des deutschen Mannes: »Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken. Denn nur, wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft! Und nur, wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft. Und wir müssen wehrhaft werden, liebe Freunde!«

Die extreme Rechte wünscht sich »das deutsche Volk« als männlich gestähltes, autoritär geformtes Kollektiv, das sich mit barbarischer Gewalt gegen den insgeheim beneideten islamischen Feind zur Wehr setzt, um Land und Frauen zu verteidigen. Dafür demonstriert die AfD in Berlin.

 

Aktuelle Informationen zu den Gegen­protesten finden sich unter anderem hier.