Zapatistinnen und Feministinnen aus aller Welt trafen sich in Chiapas zum Internationalen Frauentreff

Zu Gast bei compañeras

Seite 2 – Männer dürfen draußen kochen
Reportage Von


In den Workshops geht es unter anderem um die Folgen von Bergbau- und anderen Megaprojekten für indigene Gemeinden, die häufig von den damit einhergehenden Vertreibungen und Umweltschäden betroffen sind. Auch das Thema Gesundheit wird in Workshops diskutiert. In jeder Gesprächsrunde sitzen mehrere Zapatistinnen und machen sich häufig Notizen. Ihr Auftrag ist es, der Gemeinschaft die Diskussionsergebnisse zu jedem behandelten Thema mitzuteilen. Denn nur die Arbeit derjenigen, die zu Hause geblieben sind, die Kinder hüten, ­Hühner und Schweine füttern und sich um das Maisfeld kümmern, ermöglicht, dass 2 000 Zapatistinnen ihre Häuser verlassen und an dem Treffen teilnehmen können.

Auch die Männer leisten ihren Teil. Die Soldaten des EZLN haben sich strategisch auf dem Hügel an der Zufahrt platziert, um darüber zu wachen, dass es keine Zwischenfälle gibt. Die Männer der Gemeinden waren zum Festival explizit nicht eingeladen. Nur einige wenige kochen in einer Hütte außerhalb des Geländes Essen, das ihre compañeras am Zaun in Empfang nehmen.

Das Leben in den Dörfern habe sich in den vergangenen 24 Jahren entscheidend geändert, erzählt Maribel aus Morelia. Dazu beigetragen hat auch das »Revolutionäre Gesetz der Frauen«, das zeitgleich zum zapatistischen Aufstand von 1994 erstmals veröffentlicht wurde. Damals forderten die indigenen Frauen, selbst ­bestimmen zu dürfen, wen sie heiraten und wie viele Kinder sie bekommen wollen. Viele Feministinnen aus der Stadt waren damals erstaunt, da sie jenen wenig gebildeten Frauen, die ihre Unterdrückung scheinbar still hinnahmen, solch revolutionäreres Gedankengut kaum zugetraut hatten. Alkohol und sämtliche Drogen sind seit Inkraft­treten des »Revolutionären Gesetzes der Frauen« in den zapatistischen Gemeinden verboten, denn sie wurden als wesentlicher Faktor für häusliche Gewalt angesehen. Auch während des Festivals achten die Wachen des EZLN peinlich genau darauf, dass kein Joint auf dem Gelände angezündet wird.

»Heute lassen die Eltern ihre Töchter selbst entscheiden, wen sie heiraten wollen«, erzählt Maribel. Auch Verhütung und Gleichberechtigung würden in den autonomen Schulen behandelt, jeder Ortsrat sei paritätisch besetzt. Auf die Frage, in welchem Alter die Mädchen denn nun freiwillig heiraten, lacht sie verlegen: »15, 16, so wie jede will.« Das Lebensmodell ist hier auf die heterosexuelle Familie ausgerichtet, und die Frau, die mit 22 noch keine Kinder hat, ist entweder Soldatin oder sehr spät dran. Überrascht ist Maribel über die Frage, ob kein Mädchen je studieren wolle. »Nein! Wir lernen hier für alle Tätigkeiten, die wir brauchen, für die Landwirtschaft, als Gesundheitsförderinnen, Lehrerinnen, Hebammen.«

Dass alles in Gemeinschaft geschieht, wird den vielen Teilnehmerinnen von außerhalb noch einmal am Ende des Festivals vor Augen geführt. Unter dem Protest vieler Feministinnen, die drei Tage Theater, Sport und Musik unter Gleichgesinnten genossen haben und das gern weiterführen möchten, wird am letzten Abend das Tor geöffnet und die Männer werden zur gemeinsamen Party eingeladen – zu Ranchera-Musik, wie sie traditionell in Mexiko auf dem Land gehört wird. Es ist das Dankeschön der Zapatistinnen an die Männer, die all die Zeit gewacht und gekocht haben.

Vorher jedoch haben sie sich in einer langen Rede von ihren Schwestern aus aller Welt verabschiedet, an vielen Stellen mit Wortwitz und Humor durchsetzt, wie einst die Briefe des Subcomandante Marcos. »Wenn ihr das nächste Mal kommt, dann lasst es euch nicht noch einmal einfallen, bei der Teilnehmerinnenzahl eine Null auf dem Weg fallen zu lassen. Damit wir uns ­ordentlich vorbereiten können«, liest eine junge Zapatistin vor. »Dann wären wir nicht nur 2 000 gewesen, sondern viel mehr, so dass sechs Zapatistinnen auf eine Teilnehmerin kommen und sie umarmen und in ihrer Sprache ins Ohr flüstern können: ›Lass dich nicht kaufen, gibt nicht auf, keinesfalls!‹«