Der Neubau der Garnisonkirche in Potsdam ist umstritten

Potsdam baut sich eine Nazikirche

Der Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam hat trotz fehlender Gesamtfinanzierung begonnen. Linke protestieren gegen das Vorhaben und auch dem Bundespräsidenten scheint der Symbolbau nicht geheuer zu sein.

Nasskalt und windig war es am späten Nachmittag des 29. Oktober in Potsdam. Dennoch versammelten sich an dem Sonntag zum 500. Jahrestag der Reformation 200 bis 300 meist ältere Menschen am ehemaligen Standort der Potsdamer Garnisonkirche zu einem Gottesdienst unter freiem Himmel. Gefeiert wurde der Beginn des Wiederaufbaus der einstigen preußischen Militärkirche, die im Zweiten Weltkrieg zerstört und deren Ruine 1968 beseitigt worden war.

Obwohl es sich um einen der größten Kirchenbauten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) seit langer Zeit handelt, die Bundesregierung das Vorhaben als »Projekt von nationaler Bedeutung« eingestuft und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Schirmherrschaft übernommen hat, war kaum Prominenz vertreten. Es waren vor allem nicht mehr aktive Politiker, wie der ehemalige Berliner Innensenator und Brandenburger Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der frühere Brandenburger Ministerpräsident und kurzzeitige Bundesvorsitzende der SPD, Matthias Platzeck, und Irmgard Schwaetzer (FDP), Anfang der neunziger Jahre Bundesbauministerin und derzeit Vorsitzende der EKD-Synode, die sich an der zukünftigen Baustelle einfanden. Die Bundesregierung vertrat Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), Schirmherr Steinmeier schickte nicht einmal ein Grußwort.

Das Wiederaufbauvorhaben geht auf eine Gruppe extrem rechter und revanchistischer Bundes­wehroffiziere zurück.

Der Grund für die Zurückhaltung dürfte darin gelegen haben, dass die Errichtung der originalgetreuen Kopie der Garnisonkirche am alten Standort sowohl in Potsdam als auch in der Evangelischen Kirche umstritten ist. Große Teile der Bevölkerung lehnen das Vorhaben ab (Jungle World 34/2013), handelt es sich doch um die Kirche, in der am »Tag von Potsdam«, dem 21. März 1933, der feierliche Staatsakt zur Eröffnung des neugewählten Reichstags stattfand – einer der Gründungsmomente des sogenannten Dritten Reichs. Das Foto vom Handschlag zwischen dem Reichspräsidenten Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und Adolf Hitler vor der Kirche ist international als Symbolbild für das Ende der Weimarer Republik und für die Verbindung zwischen preußischem Militarismus und Nationalsozialismus bekannt.

Das Vorhaben, die Kirche wiederaufzubauen, geht auf eine Gruppe extrem rechter und revanchistischer Bundeswehroffiziere zurück, die 1984 im westdeutschen Iserlohn als »Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel e. V.« begannen, Geld für eine Repblik des Glockenspiels der Garnisonkirche zu sammeln. Nach der »Wiedervereinigung« schenkten sie das Glockenspiel 1991 der Stadt Potsdam, die es in der Nähe des ehemaligen Standorts der Kirche aufstellen ließ. Fortan bemühte sich die Traditionsgemeinschaft darum, Spenden für die Wiedererrichtung der ganzen Kirche als Symbol eines konservativen preußischen Protestantismus einzuwerben. Trotz anfänglicher Erfolge konnte sie dieses Ziel nicht erreichen. Die Mischung aus christlich-fundamentalistischer Haltung und Rechtsradikalismus, die das Handeln des Iserlohner Vereins bestimmte, verhinderte, dass das Vorhaben die nötige öffentliche Unterstützung fand.

Damit hätte es sein Bewenden haben können. Doch 2004 trat mit dem »Ruf aus Potsdam« eine Initiative von CDU- und SPD-Politikern sowie Kirchenfunktionären an die Öffentlichkeit, die für den Wiederaufbau der Garnisonkirche und eine Nutzung als »Versöhnungszentrum« unter dem Dach der Evangelischen Kirche plädierte und der Traditionsgemeinschaft das Projekt Garnisonkirche aus der Hand nahm. Besonders engagierte sich Wolfgang Huber. Dieser war seit 1994 Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und von 2003 bis 2009 EKD-Ratsvorsitzender. Da trotz der Übernahme des Projekts durch die Kirche nicht genug Spenden zusammenkamen und der Widerstand gegen die »Nazikirche« in Potsdam nicht nachließ, vollzogen die Anhänger des Wiederaufbaus um 2012 eine Wende. Hieß es bis dahin, Turm und Schiff würden nur mit Spendengeldern errichtet, begann man sich nun intensiv um staatliche und kirchliche Gelder zu bemühen.

Tatsächlich erklärte sich die Bundesregierung bereit, den Wiederaufbau der Kirche mit zwölf Millionen Euro aus Denkmalschutzmitteln zu unterstützen. Auch die Evangelische Kirche beschloss, sich an der Finanzierung mit einem Kredit in Höhe von fünf Millionen Euro zu beteiligen, wobei bisher unklar ist, aus welchen Mitteln dieser zurückgezahlt werden soll. Damit stehen derzeit 26 Millionen Euro für die Wiedererrichtung des Kirchturms zur Verfügung. Benötigt werden jedoch nach den etwa zehn Jahre alten Kostenschätzungen mindestens 40 Millionen Euro.

Dass mit dem Bau trotz noch immer unvollständiger Finanzierung jetzt begonnen wird, hat einen einfachen Grund. 2019 läuft die Baugenehmigung für das Vorhaben aus. Die Neuerteilung einer Genehmigung wäre verwaltungsrechtlich zwar unproblematisch, würde in Potsdam aber heftige kommunalpolitische Auseinandersetzungen auslösen. Deshalb beschloss die »Stiftung Garnisonkirche Potsdam«, nun mit den Bauarbeiten zu beginnen. Wenn der Bau nach fast drei Jahrzehnten endlich losgeht, si das Kalkül, dann werden auch bisher zurückhaltende Spender sich an der Finanzierung beteiligen – und wenn nicht, dann werden Bund, Land, Kommune und EKD ein »Projekt von nationaler Bedeutung« schon nicht als Investitionsruine enden lassen.
Daneben ist mit dem Baubeginn auch die Hoffnung verbunden, den heftigen Streit um die Kirche zu beenden. Vertreter der Stiftung für den Wiederaufbau und Potsdamer Lokalpolitiker haben immer wieder behauptet, dass mit dem Fortschritt der Bauarbeiten auch Kritik und Protest schon verstummen würden.

Wenn man den Gottesdienst auf der Baustelle als Maßstab nimmt, dürfte diese Hoffnung allerdings trügen. Große Teile der Predigt gingen in Sprechchören linker Gegendemons­tranten unter, immer wieder wehte der Gestank von Buttersäure über die Menge. Benno Everding, einer der Organisatoren des Protests, sagte dazu der Jungle World: »Der Bau der Garnisonkirche an sich ist nur ein Ausdruck einer politischen und städtebaulichen Entwicklung, der wir uns entgegenstellen. Und deswegen werden wir hier auch weiter protestieren, selbst wenn die Kirche eines Tages stehen sollte. Was ja noch lange nicht ausgemacht ist.«