Prügel im Parlament
Es waren schockierende Bilder. Anhänger des ehemaligen Ministerpräsidenten Nikola Gruevski stürmten am Donnerstag vergangener Woche das mazedonische Parlament und schlugen auf Abgeordnete und Journalisten ein, von denen viele blutüberströmt ins Krankenhaus gebracht werden mussten. 109 Personen wurden verletzt, darunter drei Abgeordnete. Unter den Angreifern waren bekannte Rechtsextreme und nach Aussagen der sozialdemokratischen Oppositionspartei SDSM auch maskierte Polizisten, die anhand ihrer Tätowierungen identifiziert werden konnten.
Es handelte sich wahrscheinlich nicht um einen spontanen Gewaltausbruch, da die Angreifer sehr genau wussten, wen sie attackierten. Abgeordnete der nationalistischen Partei VMRO-DPMNE und regimetreue Journalisten wurden verschont. Zuvor hatten Nationalisten seit Wochen fast täglich gegen eine Koalition der SDSM mit den Parteien der albanischen Minderheit demonstriert. Nach dem Gewaltausbruch wurde zunächst kein einziger Angreifer von der Polizei festgenommen. Diese untersteht weiterhin der Kontrolle Gruevskis und seiner VMRO-DPMNE. Mittlerweile wurden jedoch sechs Personen verhaftet.
Ein Opfer des Angriffs ist der designierte Ministerpräsident Zoran Zaev, der im Gespräch mit der Jungle World sagte: »Sie wollten uns töten, das war ihr einziges Ziel.« Für die Attacke sei sein politischer Gegner verantwortlich: »Nikola Gruevski hat diesen Angriff auf uns forciert. Mitko Cavkov, der Chef des Büros für öffentliche Sicherheit, ging nicht mal an sein Telefon, als der Angriff stattfand.«
Die VMRO-DPMNE hat nach den Parlamentswahlen im Dezember 2016 keine neue Regierungskoalition zustande gebracht, will aber nicht freiwillig von der Macht lassen will. Sollten in Zukunft wieder rechtsstaatliche Prinzipien in Mazedonien gelten, drohen Gruevski und vielen seiner Parteikollegen hohe Gefängnisstrafen wegen Korruption und Machtmissbrauch.
Die Sozialdemokraten um Zaev haben es mit Hilfe der Parteien der albanischen Minderheit geschafft, 67 der 120 Abgeordneten im mazedonischen Parlament und somit eine klare Mehrheit hinter sich zu bringen. Der mazedonische Präsident Gjorge Ivanov ist aber Anhänger der VMRO-DPMNE und weigert sich schlichtweg, Zaev einen Regierungsauftrag zu erteilen. Eine Regierungsbildung wird seit über einem Monat durch den bisherigen Parlamentspräsidenten, Tricksereien bei den Sitzungen und ermüdende Endlosreden verhindert. Nachdem die Sozialdemokraten und die Abgeordneten der albanischen Minderheit es am Donnerstag vergangener Woche geschafft hatten, mit Talat Xhaferi, der eben dieser Minderheit angehört, einen neuen Parlamentspräsidenten zu wählen, öffnete die Polizei die Tore und ließ die Angreifer in das Parlamentsgebäude.
Gruevski und seine Anhänger wollen ihre Wahlniederlage nicht eingestehen und sind offenkundig dazu bereit, sehr weit zu gehen, um sich an der Macht zu halten. Seit Monaten schüren sie Spannungen zwischen der slawisch-mazedonischen Mehrheitsbevölkerung und der albanischen Minderheit im Land. Weil sich die SDSM und die albanischen Parteien darauf einigten, Albanisch als zweite Amtssprache in Teilen Mazedoniens einzuführen, werfen die Nationalisten ihren Gegnern den Ausverkauf des Landes vor. Die SDSM hatte im Wahlkampf offensiv bei den Minderheiten geworben und hat so über 40 Prozent der Stimmen der albanischen Wählerinnen und Wähler gewonnen. Die VMRO-DPMNE hat es sich mit ihrer antialbanischen Rhetorik hingegen bei potentiellen Koalitionspartnern endgültig verscherzt.
Obwohl Gruevski und seine Partei in den vergangenen Jahren immer autoritärer regiert haben, konnten sie sich lange Zeit der Unterstützung der europäischen Konservativen sicher sein. Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz ließ es sich nicht nehmen, auf einer Wahlkampfveranstaltung der VMRO-DPMNE, der Schwesterpartei seiner ÖVP, aufzutreten und für Gruevski zu werben. Es war sein Dank dafür, dass Gruevski im März 2016 die Balkanroute geschlossen hatte. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung bildet weiterhin die zukünftigen Funktionäre der VMRO-DPMNE aus. Noch im September wurde Gruevski mit einer Delegation von den deutschen Unionsparteien nach Berlin eingeladen. Vertreterinnen und Vertreter der EU und der USA bemühen sich hingegen seit Wochen um einen friedlichen Machtwechsel und verurteilten den Gewaltausbruch scharf.