Fußfessel für den Wahlkampf
Er ist zuletzt wieder lauter geworden, der Ruf nach schärferen Gesetzen. Unter dem Eindruck der jüngsten Terroranschläge wird in der öffentlichen Debatte um die Vermittlung zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit und der Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze gerungen. Doch solche feinen Abwägungen hatten in Bayern noch nie einen besonders hohen Stellenwert. Die dortige Staatsregierung ist seit jeher von dem Wunsch getrieben, möglichst schnell harte Gesetze zu präsentieren und die Befugnisse der Sicherheitsbehörden auszubauen.
Auch der neueste Gesetzentwurf aus dem Ressort von Innenminister Joachim Herrmann ist Ausdruck dieses Wunsches. Der CSU-Politiker will den Terrorismus bekämpfen, indem er seinen Behörden mehr Kompetenzen einräumt. Vor allem die Polizei soll sogenannte Gefährder besser überwachen können.
Wie wenig eine Fußfessel nützt, zeigt auch die Ermordung eines Priesters in Frankreich durch zwei jihadistische Attentäter im Juli 2016. Einer der beiden Täter hatte eine elektronische Fußfessel getragen.
Dieses Etikett bekommen in der Regel Personen, die vielleicht einen Anschlag begehen könnten – ohne dass ein konkreter Tatverdacht vorliegt, wie er für eine Anklage erforderlich wäre. Das neue Gesetz soll es ermöglichen, diese Gruppe mit einem richterlichen Beschluss per elektronischer Fußfessel zu überwachen. »Damit wissen wir genau, wo sich solche Personen herumtreiben, und können ihren Bewegungsspielraum erforderlichenfalls einschränken«, sagte Herrmann über die geplante Neuerung.
Mit der Fußfessel sind üblicherweise Auflagen verbunden. So kann zum Beispiel untersagt werden, bestimmte Treffpunkte von relevanten Organisationen aufzusuchen. Verstößt jemand gegen diese Vorgaben, kann die Polizei den »Gefährder« präventiv in Gewahrsam nehmen. Hinzu kommt eine Verlängerung der Präventivhaft, wenn bei den Gefährdern eine kaum zu definierende »drohende Gefahr« vorliegt. In einem solchen Fall ist es mit einem richterlichen Beschluss zulässig, die Person länger als zwei Wochen zu inhaftieren. Spätestens nach drei Monaten Haft muss dann ein Richter entscheiden, ob eine Haftfortsetzung vertretbar ist.
Herrmann, unlängst zum CSU-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gekürt, pries den Entwurf als wegweisend. »Der Rechtsstaat muss nicht warten, bis sämtliche Vorbereitungs- und Planungshandlungen abgeschlossen sind oder gar Straftaten begangen worden sind«, sagte der Innenminister. »Die Menschen können in einer solchen Situation zu Recht erwarten, dass die Polizei berechtigt ist, diese Gefahren möglichst abzuwehren.« Sein Gesetzentwurf trage diesem Anspruch Rechnung, orientiere sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und gebe den Behörden mehr Handlungsspielraum.
Die Opposition macht gravierende verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich des Entwurfs geltend, mit dem sich der CSU-Politiker im Bundestagswahlkampf als sicherheitspolitischer Hardliner profilieren möchte. »Wir sehen bei dem Gesetz den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zumindest gefährdet, wenn nicht sogar verletzt«, sagte der Landtagsabgeordnete Peter Paul Gantzer (SPD). Der Münchner Politiker kritisierte den Einsatz der Fußfessel als präventivpolizeiliches Mittel sowie die Inhaftierung von Gefährdern. Beides seien vor der Verübung einer Straftat möglicherweise zu weit reichende Eingriffe in die persönliche Sphäre. Man müsse sich fragen, »ob das noch angemessen ist«, so Gantzer.
Katharina Schulze, die innenpolitische Sprecherin der Grünen, pflichtete ihm bei. Sie spricht von »rechtswidrigen Vorschlägen«, die ohne Tatverdacht den Eingriff in bedeutende Grundrechte ermöglichten. Es sei mit dem neuen Gesetz beispielsweise erlaubt, jemanden ohne konkrete Gefahr vorsorglich zu inhaftieren — solange eine »Gefahr für bedeutende und hochrangige Rechtsgüter« angenommen werden kann. Die genaue Definition dieses Begriffs bleibe allerdings unklar, kritisierte Schulze: »Das geht für mich in Richtung Gesinnungshaft.« Zudem seien die Fußfesseln nicht mehr als ein ineffektives »Sicherheitsplacebo«.
Mit dieser Meinung steht die bayerische Opposition nicht alleine. Neben Datenschützern und Richtern war zuletzt auch von der Polizei Kritik an den Fußfesseln zu vernehmen. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung äußerte Thomas Bentele von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) vergangene Woche Bedenken, was den präventiven Einsatz anbelangt. Für die Anwendung von Fußfesseln sei eine Rechtfertigung erforderlich, so der Polizist, die ohne klaren Tatverdacht schwer zu erbringen sei. Darüber hinaus existiere keine einheitliche Definition, unter welchen Voraussetzungen jemand als Gefährder anzusehen ist. Eine solche Unklarheit führe wiederum zu Problemen, wenn Richter den Einsatz anordnen sollen.
Das größte Manko einer Fußfessel sei aber ihre Unterlegenheit gegenüber einer direkten Überwachung, sagte Schulze. Statt fragwürdige Gesetze zu entwerfen, solle Herrmann die Polizei lieber besser ausstatten und bei klarer Rechtfertigung einen potentiellen Täter durch erfahrene Beamte observieren lassen. Dann könnten die Handlungen unmittelbar beobachtet werden und bei einer drohenden Gefahr könnte gegebenenfalls eingegriffen werden. So lasse sich die öffentliche Sicherheit wirksamer schützen, als durch jede technische Spielerei, argumentiert Schulze.
Wie wenig eine Fußfessel nützt, wenn es darauf ankommt, zeigt auch die Ermordung eines Priesters in Frankreich durch zwei jihadistische Attentäter im Juli 2016. Einer der beiden Täter hatte eine elektronische Fußfessel getragen.
An Innenminister Herrmann dürfte die Kritik abprallen. Der CSU-Politiker wird beim anstehenden Bundestagswahlkampf wohl versuchen, sich mit dem Gesetzesvorhaben als kompetenter Sicherheitsexperte mit zehnjähriger Erfahrung als Innenminister zu präsentieren. Nicht umsonst hat der CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer mit Herrmann einen Law and order-Politiker als Spitzenkandidaten vorgeschlagen. In einem Wahlkampf, bei dem Sicherheitspolitik eines der zentralen Themen sein wird, verspricht die Nominierung Herrmanns viele Stimmen aus autoritär und konservativ orientierten Bevölkerungsgruppen.