Baltikum wächst nach dem Wahlsieg Donald Trumps die Angst vor einem russischen Einmarsch

Das Baltikum zittert

Donald Trump sagte im Juli, er würde als Präsident den baltischen Staaten im Falle eines russischen Angriffs nicht automatisch beistehen. Dort wächst die Angst vor einem russischen Einmarsch.

Im lettischen Badeort Jūrmala ist es kalt geworden, die Touristen haben ihn bereits verlassen. Die Wellen der Ostsee brechen sich vor einem fast menschenleeren Ort. Doch Jānis Žugovs ist noch unterwegs, er will Bürgermeister von Jūrmala werden, als Kandidat der rechtspopulistischen »Nationalen Vereinigung«. Viele seiner Parteifreunde nehmen jährlich am 16. März an der Demonstration zum Gedenken an die lettische Legion der Waffen-SS teil. Anfangs spricht Žugovs unweit der Ostsee noch über die hohen Mieten im Ort und die mangelhafte Infrastruktur für die Einheimischen, dann kommt er recht schnell zur Sache: »Die Russen hier wollen sich nicht integrieren. Wir können das Russische nicht als zweite Amtssprache akzeptieren. Lettland muss Lettland bleiben.«
Aus Mangel an Menschen, die anders aussehen als sie, konzentrieren sich die lettischen Rechtspopulisten darauf, gegen die russischsprachige Minderheit im Land zu hetzen. Wer die lettische Sprache nicht beherrscht und wessen Eltern nicht vor 1940 im Land geboren wurden, ist von Staatenlosigkeit bedroht. Zwölf Prozent der in Lettland geborenen Bevölkerung sind staatenlos, alle diese Menschen sind russischsprachig. Für ein Drittel der Bevölkerung ist Russisch die Erstsprache.
Seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten wächst auch die Angst vor Russland. Als Wladimir Putin seine Truppen auf der Krim einmarschieren ließ, begründete er dies mit dem Schutz der russischen Bevölkerung außerhalb Russlands. Ähnlich argumentierte er bereits 2008 beim Einmarsch in Georgien. Die Nervosität in den baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland ist daher groß, denn dieses Argument könnte Putin genauso gut für das Baltikum anbringen.
Seit 2004 sind die drei Staaten Mitglieder der Europäischen Union und der Nato. Der Schutz vor Russland galt allen drei als Hauptargument für einen Beitritt zum Militärbündnis. Die Beziehungen zu den USA waren besonders wichtig, weil diese als Schutzmacht vor der russischen Gefahr gesehen werden. Klassischer Antiamerikanismus wie in Westeuropa ist unter nichtrussischen Litauern, Letten und Esten kaum verbreitet. Im Juli sagte Trump allerdings, als Präsident würde er den baltischen Staaten im Fall eines Angriffs nicht automatisch beistehen. Er wäre somit der erste Präsident in der Geschichte der USA, der die Beistandspflicht nach Artikel 5 des Nato-Vertrags in Frage stellt. Newt Gingrich, ein Vertrauter Trumps, fiel mit der Aussage auf: »Estland ist doch sowieso nur ein Vorort von St. Petersburg.« Der ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses ist als möglicher Außenminister im Gespräch. Verbunden mit der Aussicht auf einen Präsidenten Trump, der keinen Hehl aus seiner Bewunderung für Putin macht und die gegen Russland verhängten Sanktionen kritisiert, ließ das die Menschen auf dem Baltikum aufhorchen.
Die baltischen Regierungsoberhäupter täuschen derweil Gelassenheit vor. Der lettische Präsident Raimonds Vējonis betonte, die USA seien auch weiterhin ein strategischer Partner und ein wichtiger Nato-Verbündeter. Lettland werde politisch, in Sicherheitsfragen und wirtschaftlich seine Zusammenarbeit mit der US-Regierung weiterentwickeln, hieß es in einer Mitteilung der Präsidialkanzlei in Riga. Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaitė sagte nach der Verkündung des Wahlergebnisses in den USA: »Das amerikanische Volk hat gewählt, wir werden seine Wahl respektieren. Wir vertrauen den Vereinigten Staaten, weil sie unser stärkster und engster Verbündeter sind.« Den Beweis, dass das auch in Zukunft gilt, muss Trump allerdings erst antreten.