Im Burgenland wollen Sozialdemokraten mit der FPÖ regieren

Österreichische Farbenlehre

Im österreichischen Burgenland koaliert nach den Landtagswahlen die rechte FPÖ mit den Sozialdemokraten. Angesichts von Politik und Geschichte der SPÖ ist dies gar nicht so verwunderlich.

Wenn Österreich wählt, gewinnt die FPÖ. Dieser Trend der vergangenen Jahre hat sich bei den Landtagswahlen Ende Mai im Burgenland und der Steiermark einmal mehr bestätigt: In der Steiermark gewann die rechte Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) 16,2 Prozentpunkte hinzu und liegt mit 26,8 Prozent der Stimmen nur knapp hinter der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) mit 29 Prozent und der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) mit 28,6 Prozent. Die SPÖ verlor 9,2, die ÖVP 8,6 Prozentpunkte. Die SPÖ in der Steiermark will dennoch in der rot-schwarzen Koalition weiterregieren.
Im Burgenland hingegen – bisher ebenfalls von SPÖ und ÖVP regiert – stand keine Woche nach der Wahl eine Koalition aus SPÖ (41,9 Prozent) und FPÖ (15 Prozent). Die gab es bisher nur einmal im Bund in den achtziger Jahren und einmal 2004 im Bundesland Kärnten mit der SPÖ als Juniorpartnerin. Im Burgenland hat die FPÖ um sechs Prozentpunkte zugelegt, die SPÖ verlor 6,3 und die ÖVP 5,5 Prozentpunkte. Der linke SPÖ-Flügel und die Parteijugend protestieren gegen den »Tabubruch« einer Koalition mit der FPÖ, während die Parteispitze und Kanzler Werner Faymann weitgehend schweigen. Die burgenländische rot-blaue Koalition steht auch in Widerspruch zu einem SPÖ-Parteitagsbeschluss vom November 2014: »Die SPÖ spricht sich klar gegen eine Koalition mit der FPÖ auf allen politischen Ebenen aus.«

Doch ist der Wahlerfolg der FPÖ auf Kosten der SPÖ tatsächlich die große Überraschung, ist die Koalition wirklich der so oft bemühte »Tabubruch«? Dass die FPÖ gerade in diesen beiden Landtagswahlen so erfolgreich war, ist kein Zufall. Sogar der FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl bescheinigte den beiden SPÖ-Spitzenkandidaten Hans Niessl im Burgenland und Franz Voves in der Steiermark im Januar, »vernünftige FPÖ-Forderungen übernommen« zu haben. Offenbar haben viele Wahlberechtigte aber lieber das freiheitliche Original gewählt, obwohl man auch von großen Teilen der SPÖ rechte Politik erwarten kann: Niessl wollte etwa Videoüberwachung an allen Ortseinfahrten im Burgenland, eines seiner zentralen Wahlkampfthemen war »Sicherheit« und im Herbst 2014 forderte er die temporäre Einführung von Grenzkontrollen gegen »Schlepperkriminalität«, weil die Schengen-Außengrenze »augenscheinlich nicht ausreichend gesichert werden« könne. In allen Punkten ist die FPÖ besser – sprich autoritärer und rassistischer –, als es die SPÖ, die ja auch einen linken, antifaschistischen Flügel hat, in den Augen einiger Wählerinnen und Wähler je sein könnte. Auch da Niessl der FPÖ in geheimen Verhandlungen bereits vor der Landtagswahl 2005 im Fall einer Niederlage Versorgungsposten versprochen hatte, ist die Koalition weniger überraschend, als die aufgeregten Reaktionen vermuten lassen.
Was die Rechtslastigkeit angeht, gilt ähnliches ein bisschen abgeschwächt auch für Voves in der Steiermark. Er wollte Anfang des Jahres, vereint mit Niessl und einigen Politikern aus ÖVP und FPÖ, etwa Straftatbestände wie »Integrationsunwilligkeit« einführen und ist ein Verfechter von Bettelverboten, einem antiziganistischen Konsensthema in Österreich. In der Steiermark war aber die Distinktion zwischen SPÖ und FPÖ im Wahlkampf doch deutlicher als im Burgenland. Der Wahlkampfton war schärfer und während Niessl die rot-blaue Koalition schon vor der Wahl vorbereitet hat, spricht sich Voves noch eine Woche nach der Wahl gegen eine Koalition mit der FPÖ aus – auch wenn die parteiinternen Stimmen lauter werden, die nach Verhandlungen auch mit dieser Partei rufen. In der Steiermark warb die FPÖ unter anderem mit ihrem Magazin Wir Steirer und Slogans wie »mehr G’spür für die Steirer« zum »Schwerpunkt Asyl« um Stimmen. »Kriminalität im Umfeld von Asylheimen« will sie bekämpfen und »Schluss mit Diebstahl, Einbruch, Bettelei« machen. Sie mobilisierte »gemeinsam für die Heimat« und in der erprobten FPÖ-Reimform für »Steirerland in Steirerhand« gegen die Regierung: »Rotschwarz hat versagt!«

Während es in der Steiermark also noch nach einer Großen Koalition aussieht, fordern einige antifaschistische Kräfte in der SPÖ den Ausschluss von Niessl. Rücktrittsforderungen und Spekulationen über einen Wechsel an der Parteispitze werden laut. Die Kritik an der SPÖ, die die FPÖ ohne Not in die Regierung geholt hat, ist berechtigt. Inhaltlich aber kann der »Tabubruch« kaum überraschen.
Die Geschichte der SPÖ ist voll von rechter Politik und rechten Protagonisten. Nicht nur buhlte sie, wie auch die ÖVP, ab 1949 um die Stimmen ehemaliger Nazis, noch 1970 saßen im Kabinett des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Bruno Kreisky sechs frühere Nationalsozialisten. SPÖ und FPÖ hatten schon immer große Überschneidungen im Wählerpotential. Der ehemalige FPÖ-Vorsitzende Jörg Haider erklärte dies treffend damit, dass in Österreich »der Sozialdemokrat im klassischen Sinne nie links gewesen ist und daher mit vielen Positionen, für die wir (die FPÖ) eintreten, übereinstimmt«. Das liegt begründet im Primat des Nationalen in der Alpenrepublik, die Volksgemeinschaft lebt im österreichischen Spezifikum der Sozialpartnerschaft fort. Die sucht die Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit in der Nation aufzulösen. Sie war deshalb nie auch nur ein sozialdemokratisches Klassenprojekt, sondern muss die nationale Gemeinschaft rassistisch, antiziganistisch und antisemitisch aufrechterhalten. In einer Umfrage vom Anfang des Jahrtausends stimmten 90 Prozent der Befragten dem folgenden Satz zu: »Im Ringen um eine gesunde Wirtschaft sitzen Arbeitnehmer und Arbeitgeber im selben Boot.« Und dieses sei längst voll. So verwundert es denn auch nicht, dass im April die letzte Verschärfung des Fremdenrechts, wie das Ausländerrecht in Österreich heißt, nur eine von vielen ist, die die SPÖ als Regierungspartei mitbeschlossen hat. Ebenso wenig verwundert es, dass etwa ein Salzburger SPÖ-Gemeinderat im Amt bleiben durfte, nachdem er im September 2014 auf Facebook einen rassistischen Kommentar über »Schlitzaugen« und »Nigger« gepostet hatte.

Im Gegensatz zur SPÖ macht die FPÖ aus ihrer rassistischen, antifeministischen und reaktionären Politik kaum einen Hehl und ordnet auch ihren Antisemitismus höchstens strategisch dem Rassismus gegen »die antisemitischen Muslime« unter. Sie entstand aus dem 1949 gegründeten »Verband der Unabhängigen« (VdU), der politischen Heimat vieler alter Nazis. Derzeit gehören 18 ihrer 40 Nationalratsabgeordneten völkischen Burschen- oder Mädelschaften an und es gibt Funktionäre mit Verbindungen zur Neonaziszene und den »Identitären«. Anders die SPÖ, dort gibt es ernstzunehmende antifaschistische Kräfte. Deshalb läuft die scheinbar unbedeutende Koalition im Burgenland, dem bevölkerungsärmsten Bundesland, vor allem darauf hinaus, der FPÖ weitere Legitimität zu verleihen. Damit folgt man auch der FPÖ selbst, die sich gern als Opfer stilisiert und beschwert, in undemokratischer Weise »ausgegrenzt« zu werden, wenn jemand nicht mit ihr koalieren möchte oder sie als das kritisiert, was sie ist. In einer aktuellen bundesweiten Umfrage liegt sie mit 28 Prozent der Stimmen vor SPÖ und ÖVP, die jeweils nur 23 Prozent der Befragten wählen würden.
Spannend wird auch die im Herbst anstehende Wahl in Wien. Hier regiert derzeit die SPÖ (44,3 Prozent) mit den Grünen (12,6 Prozent); FPÖ (25,8 Prozent) und ÖVP (14 Prozent) bilden die Opposition. Bei der Wiener Bürgermeisterwahl wird sich auch der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache wieder ins Zeug legen. Einen Erfolg der FPÖ zu verhindern, wird der SPÖ auch wegen der Koalition im Burgenland noch schwerer fallen.