Polizei und VS feiern ihren Fahndungserfolg gegen die »Oldschool Society«

Alte Schule, schlechte Schule

Polizei und Verfassungsschutz verkaufen ihren Schlag gegen die Naziorganisation »Oldschool Society« als großen Erfolg. Diese gab sich zwar militant, ihr Dilettantismus führte jedoch zu ihrer Zerschlagung. Der Fall ist bei Nazis Anlass für Verschwörungstheorien.

Die Polizei fuhr einiges auf, als sie am 6. Mai die rechtsextreme Gruppe »Oldschool Society« (OSS) aushob. Etwa 250 Beamte waren an der konzertierten Aktion beteiligt, in deren Verlauf Wohnungen in fünf Bundesländern durchsucht wurden. Vier Personen nahm die Polizei fest – zwei im sächsischen Borna, je eine im bayerischen Augsburg und im nordrhein-westfälischen Bochum.

Nach dem Einsatz bemühten sich alle Beteiligten, das Ergebnis möglichst positiv darzustellen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wertete die Razzien als Erfolg. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stellte die Gruppe sogar in eine Reihe mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU). Was genau allerdings die Behörden zu diesen Einschätzungen bewog, bleibt ungewiss. Die Waffenfunde jedenfalls – Böller, Messer, Gaspistolen – übertreffen keinesfalls das, was in der Vergangenheit bei Razzien in Wohnungen anderer Neonazis gefunden wurde. So wirkt das Eigenlob der Polizei und des Verfassungsschutzes übertrieben. Gerade der Inlands­geheimdienst benötigt wegen des NSU-Skandals positive Schlagzeilen, wenn es um Nazis geht.
Sehr wahrscheinlich ist, dass zumindest einige Mitglieder der OSS seit Jahren zur extrem rechten Szene gehören. Nach Informationen der Welt soll der mutmaßliche Anführer der Gruppe, Andreas H. aus Augsburg, früher Mitglied der NPD gewesen sein. Markus W. aus Borna soll sich der Süddeutschen Zeitung zufolge in der inzwischen verbotenen »Kameradschaft Aachener Land« betätigt haben. Nach Angaben der Landesvereinigung Nordrhein-Westfalen der »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten« war er zudem früher Mitglied im Kreisverband Düren der NPD.
Damit ist jedoch längst nicht die Frage beantwortet, welche Gefahr die Gruppe tatsächlich darstellte. War sie eine ernstzunehmende »rechtsterroristische Vereinigung«, wie die Bundesanwaltschaft behauptet, oder war sie »die dümmste Terrorgruppe Deutschlands«, wie das Magazin Vice es formulierte? Beides scheint möglich.
Wahrscheinlich hatte die OSS tatsächlich vor, Anschläge zu verüben. Für das Wochenende nach den Razzien soll ein Treffen in Borna samt ein »paar Aktionen« geplant worden sein, für die »schwarze neutrale« Kleidung als angebracht erachtet wurde. Nach Informationen der sächsischen Tageszeitung Morgenpost soll die Gruppe beabsichtigt haben, aus Anlass einer linken Demonstration nach Bitterfeld in Sachsen-Anhalt zu fahren. Bereits seit Wochen sehen sich dort linke und alternative Jugendliche Angriffen und »Hausbesuchen« von Neonazis ausgesetzt. Mitte April gab es zudem einen Brandanschlag auf einen Wohnwagen auf dem Gelände des linken »Autonomen Kulturwerks« (Jungle World 12/2015).
Unverständlich hingegen bleibt, warum eine militante Gruppe, die nach Angaben des Bundeskriminalamts Anschläge mit selbstgebauten Nagelbomben plante, eine öffentlich zugängliche Seite auf Facebook unterhielt – Fotos und in einigen Fällen sogar Klarnamen inklusive. Ganz offen wurde dort gegen Muslime, Flüchtlinge und Linke gehetzt und das nicht selten in Verbindung mit Gewalt- und Tötungsphantasien. Hinzu kommt, dass die Gruppe in zumindest einer der im Internet gezeigten Graphiken mit dem Emblem der SS-Division »Totenkopf«, der Wolfsangel und dem Hakenkreuz auch ganz explizit nationalsozialis­tische Symbole verwendete. Fast wirkt es so, als habe die OSS um ein polizeiliches Einschreiten förmlich gebettelt.
In den Kommentarspalten von Naziforen wie etwa »Altermedia« kursieren daher bereits Verschwörungstheorien. Der Staat habe die Gruppe über V-Leute ins Leben gerufen, um die extrem rechte Szene mit repressiven Maßnahmen überziehen zu können, wird vermutet. Dabei gibt es eine plausiblere Erklärung: Die Nazis der OSS er­lagen, wie andere Menschen auch, auf Facebook dem Drang zur Selbstdarstellung und verfügten offenbar nicht über die nötigen intellektuellen Fähigkeiten, um unauffällig zu bleiben. Solche Überlegungen werden allerdings auf Altermedia aus naheliegenden Gründen nicht geäußert.
Auch linke und antifaschistische Gruppen tun sich bislang schwer mit einer Einordnung der Gruppe. Vor allem die augenscheinliche Diskrepanz zwischen der offenkundigen Gewaltbereitschaft und einem Vorgehen, das so dilettantisch war, dass selbst der Verfassungsschutz darauf aufmerksam wurde, lässt sich nur schwer schlüssig erklären. Einen Ansatz liefert ein Text, der auf einer Internetseite der Leipziger Antifa-Szene veröffentlicht wurde. »Womöglich fehlende Klandestinität ist nicht mit fehlender Entschlossenheit zu verwechseln«, heißt es dort. »Denn unvorsichtig kann auch sein, wer sich seiner Sache sehr sicher ist.«
Ganz ähnliche Erklärungsversuche gab es in jüngster Zeit auch in Hinblick auf ein anderes ex­trem rechtes Phänomen, nämlich die »Hooligans gegen Salafisten« (Hogesa). Auch nach den Ausschreitungen in Köln im vergangenen Oktober waren viele Beobachter zunächst überrascht in Anbetracht der Ungeniertheit, mit der der rechtsextreme Mob dort vor laufenden Kameras und den Augen der Polizei getobt hatte. Tatsächlich könnte eine Verbindung zwischen Hogesa und OSS bestehen. Zumindest einer der Festgenommenen, der Bochumer Olaf O., war offenbar auch in Köln dabei. Er soll selbst aus der Rocker- und Hooliganszene kommen. »Es gibt Hinweise darauf, dass er sich durch die ›Hooligans gegen Salafisten‹ radikalisiert hat«, heißt es auf dem Blog »Ruhrbarone«.

Die Tatsache, dass die OSS mit Andreas H. über einen Präsidenten und mit Markus W. über einen Vizepräsidenten verfügt haben soll, erinnert ebenfalls stark an das Gebaren der Rockerszene. Nach der Gruppenstruktur, den Fotos und den Äußerungen zu schließen, scheinen die Mitglieder der OSS also eher subkulturell geprägt zu sein. Zwar besteht bei mehreren der neun Gründungsmitglieder der OSS eine Verbindung zur NPD. Doch insgesamt scheinen sie weniger an Parteipolitik als am »Kampf um die Straße« interessiert gewesen zu sein.
Daher passt die Gruppe zur Entwicklung der vergangenen Monate. Durch Hogesa, Pegida und die regelmäßigen rassistischen Demons­tratio­nen gegen die Unterbringung von Asylsuchenden ist in Deutschland eine gefährliche Dynamik entstanden, die einige dazu animiert, dem im Internet allgegenwärtigen rassistischen Verbal­radikalismus Gewalttaten folgen zu lassen. Davon zeugen unter anderem zahlreiche Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte, bei deren Aufklärung die Behörden jedoch zumeist weniger erfolgreich zu sein scheinen als im Fall der OSS.