Doppelrippschlüpfer sind abscheulich

Des Knackarschs Tod

Moschus, Muckis und Malocher. Der Weg zum Sex ist viel zu oft durch Feinrippunterwäsche verstellt.

Es kommt der Tag im Leben einer Frau, oder jedenfalls war es bei mir so, an dem man, nach einem tollen Abend mit prickelnder Unterhaltung, lauter Musik und einigen Gin Tonic im Schädel einen gut riechenden, smarten und witzigen Typen mit nach Hause nimmt. Man freut sich schon im Treppenhaus ganz diebisch auf das, was da gleich kommen wird. Beim Auspacken des jungen Mannes ist der Schreck dann jedoch groß. Denn unter der skinny Jeans und dem Kapuzenpulli verbirgt sich ein Grauen aus Feinripp. Die klassische Feinrippunterhose ist zum Glück fast völlig aus der Mode gekommen. Die Variante des labberigen Doppelrippschlüpfers konnte selbst Calvin Klein nicht mehr retten. Sogar bei Karstadt in der Herrenunterwäscheabteilung findet sich nur noch ein kläglicher Rest an Schinkenbeuteln im Dreierpack. Auf eine Abbildung oder einen Hinweis auf den Schnitt des guten Stückes wird dort freimütig verzichtet: Baumwolle, Eingriff, kochfest – weitere Details sind nicht von Interesse und dem Käufer schnurzpiepegal. »Hauptsache bequem« ist die Devise. Denn, so befürchten ja viele Männer, zu enge Unterhosen könnten zwicken oder zwacken oder sich gar negativ auf ihre Potenz auswirken.

Dass Doppell-Feinripphosen nicht ohne Grund als Liebestöter gelten, ist nicht nur dem meist formlosen Schnitt zu verdanken. Auch das fehlende Elastan ist der Tod für jeden Knackarsch. Und die blütenweiße Farbe bekommt nach einigen Wäschen einen unattraktiven Grauschleier. Im Gegensatz zu formschöner, fließender und ästhetischer Unterwäsche, die aufgrund ihrer Attraktivität häufig als Reizwäsche bezeichnet wird, reizt am weißen Ripp wirklich gar nichts. Vermutlich wurden Doppelrippslips in finsteren vatikanischen Kellerlabors erfunden, um die Welt zu einem verhärmten Kloster zu machen. Wer also beim Sexdate die Hüllen fallen lässt und darunter nichts als Opas angegilbte Abtörnbuxe zu bieten hat, muss sich nicht wundern, wenn es schief geht.

Das Unterhemd in Feinripp erfreut sich hingegen noch immer größerer Beliebtheit. Einst galt es als letzte Bastion der Spießigkeit. Mann trug es in der Öffentlichkeit ausschließlich dort, wo es auch hingehört: unter der Kleidung. Aber zu Hause wurde es denn auch schon mal dem dortigen Publikum vorgeführt, nicht nur im Ruhrgebiet. Das Bild des hart arbeitenden, leicht untersetzten Familienvaters, der nach der Schicht im weißen Unterhemd und mit Bierflasche in der Hand vor dem Fernseher sitzt, hat sich in unser Gedächtnis gebrannt. Als flegelhaft, gewalttätig und schlecht riechend erinnern wir ihn. Doch seit Calvin Klein die Feinrippunterwäsche in den achtziger Jahren mit sexy Werbekampagnen und halbnackten durchtrainierten Körpern aus der Proloecke geholt hat, finden wir das labberige Unterhemd und die formlosen Schlüpfer plötzlich rehabilitiert. Auch weibliche Actionheldinnen wie Sigourney Weaver oder Linda Hammilton durften bereits in den weißen Leibchen schwitzen und die Welt retten und wurden so zu Ikonen eines neuen Frauenbildes. Offen zur Schau getragen gilt das Rippunterhemd jetzt nicht mehr als spießig, sondern ist im Gegenteil auf einmal eine Pose der Auflehnung gegen die bürgerliche Moral, so albern und präpotent das auch wirkt. Wer den sogenannten wifebeater trägt, zitiert Marlon Brando, Bruce Willis oder Wladimir Putin. Männliche Härte, körperliche Fitness und ein Hauch von Revolte will das weiße Unterhemd versprühen.

Leider geht die Wäscheperformance im wahren Leben oft schief, denn schon rein äußerlich unterscheidet sich der blasse, wenig kompakte Männerkörper oft vom großen Vorbild. Auch das Retten der Welt gestaltet sich im Alltag oft schwieriger, als es das in »Die Hard« den Anschein hat. Nur zu gerne eifern die Träger des Feinripps dennoch ihren machistischen Hollywood Working Class Heroes nach. Die sind offenbar so arm, dass sie nur ein einziges sauberes Oberhemd haben, dessen sie sich bei schwerer körperlicher Arbeit natürlich entledigen müssen (Marlon Brando) oder das sie im Eifer des Gefechtes irgendwo verlieren (Bruce Willis). Schwitzend, beschmutzt und nur mit einem Unterhemd bekleidet, ziehen sie so die Blicke der Frauen- oder auch Männerwelt auf sich: ein kleiner Traum! Dass schräge Modesünden, geistige Verwirrung und prekäre Lebensbedingungen unter bestimmten Umständen nicht mehr als unattraktiv, bemitleidenswert und abstoßend wahrgenommen werden, zeigt der Versuch, olle Unterwäsche als Malocher-Bohemien-Lebensgefühl zu vermarkten.

Allerdings sind weder die nackte Schulter, die üppige Brustbehaarung oder die erigierten Nippel heute noch ein bürgerliches Tabu, das es zu brechen gilt. Der schlechte Ruf der Männerunterhosen jedoch führt dazu, dass man sie weiterhin nicht in der Öffentlichkeit sehen mag, auch wenn sie nur aus der Überhose herauslugen. In Schulen, Gerichten oder an öffentlichen Plätzen Floridas darf die männliche Unterhose jedenfalls nicht sichtbar spazieren getragen werden. Dabei gibt es ganz andere, wirkliche Tabus, wie Seidenstoffe, Spitze oder Rüschen, die noch immer keinen Platz in der Männermode gefunden haben. Auch Shapewear, Pushups oder Tangas finden jedenfalls hierzulande erst sehr langsam Einzug in männliche Kleiderschränke. Dabei würde ein wenig Raffinesse untenrum nicht schaden.