Uzi Arad im Gespräch über Israels Sicherheit

»Die Palästinenser waren oftmals undankbare Verhandlungspartner«

Uzi Arad war bis 2011 Sicherheitsberater von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Vorsitzender des nationalen Sicherheitsrates. Derzeit ist er Professor an der Herzliya School of Government and Diplomacy.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar wirkte Israels Verteidigungs­minister Moshe Yaalon wie ein Spielverderber. Manche inoffiziellen Statements erwecken den Eindruck, Israel sei an den derzeitigen Verhandlungen mit den Pa­lästinensern nicht viel gelegen. Ist das so oder hat Israel ein PR-Problem?
In Bezug auf die Palästinenser würde ich eher sagen, dass diese extrem erfolgreiche PR machen. Als wir in die Verhandlungen eingestiegen sind, bedeutete dies für uns, eine Atmosphäre des Vertrauens und gegenseitigen Verständnisses zu schaffen. Die Palästinenser haben, während sie mit uns am Verhandlungstisch gesessen haben, ihre Strategie der einseitigen Öffentlichkeitsarbeit nochmals intensiviert. Unterstützung kommt dabei von vielen Ländern, die traditionell mit der palästinensischen Sache sympathisieren. Die Palästinenser sehen nicht nur ihre eigene Bevölkerung wachsen, sondern ebenso die Sympathien auf ihrer Seite. Die Zeit spielt ihnen also in die Hände. Auf Gewalt wird heute verzichtet, dafür nehmen die antiisraelische Propaganda und die Manipulation der internationalen Öffentlichkeit aber weiter zu. Das kommt besser an. Ein Hauptbestandteil palästinensischer PR ist dabei die Verteufelung der Siedlungen.
Die Siedlungen seien, sagte Yaalon, kein Hindernis auf dem Weg zum Frieden. Sehen Sie das auch so?
Die Frage ist doch, warum sich die Palästinenser bei diesem komplexen Konflikt so auf die Siedlungen fokussieren. Sie wählen dieses Thema aus, weil es ihnen am meisten dient. Es besteht mittlerweile ein fast globaler Konsens darüber, dass die Siedlungen ein Haupthindernis für den Frieden seien. Das ist Quatsch, aber für die palästinensische Argumentation natürlich hilfreich, da dies auch die Meinung in den meisten Ländern ist, die die Autonomiebehörde finanziell unterstützen.
Aber stellen die Siedlungen nicht doch ganz praktisch ein Hindernis für eine Übereinkunft dar?
Sehen Sie, anfänglich hieß es von palästinensischer Seite ganz konkret, dass ihnen durch die Siedlungen Land weggenommen werde. Nun, wo der Vorschlag des Tauschs von Landflächen auf dem Tisch ist, ist dieses Argument plötzlich irrelevant und es geht wieder pauschal gegen Siedlungen. Die Palästinenser waren in der Vergangenheit oftmals ein undankbarer Verhandlungspartner. Angebote, die gerade in jenen Siedlungsfragen sehr großzügig waren, wie zum Beispiel die von Olmert oder Barak, wurden abgelehnt.
US-Außenminister John Kerry will schon bald die ersten Ergebnisse der israelisch-palästinensischen Verhandlungen präsentieren. Haben Sie einen Funken Hoffnung?
Die Palästinenser sind noch nicht bereit, die notwendigen Konzessionen zu machen. Sie sind unter anderem nicht bereit, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen. Wenn wir Frieden wollen, müssen wir weiterhin bereit sein zum konstruktiven Dialog und zu gegenseitiger Anerkennung. Außerdem müssen wir gleichermaßen voneinander profitieren. Solange die Palästinenser glauben, keine Einigung zu erlangen, diene eher ihren Interessen, wird es jedoch beinahe unmöglich werden. Ich bin sicher, dass es zu einer Einigung kommen wird. Aber vielleicht ist der Zeitpunkt noch nicht gekommen. Die israelische Sicherheit darf durch ein Abkommen nicht in Gefahr ge­raten.
Ein einflussreicher saudischer Prinz hat zur Überraschung vieler die israelische Verhandlungsführerin bei den Friedensgesprächen, Tzipi Livni, öffentlich für ihr Engagement gelobt. Gibt es denn auch positive Trends für Israel im Nahen Osten?
Auf der Konferenz in München saßen Kataris und Saudis auf dem Podium. Meines Erachtens wächst die Sympathie der Golfstaaten für Israel in der letzten Zeit immer weiter. Nach Innen sind diese Staaten sehr kritisch gegenüber den Palästinensern und werden immer ungeduldiger, was das ständige Scheitern der Friedensverhandlungen betrifft. Hier könnten in Zukunft einige Möglichkeiten der offenen Kooperation liegen. Momentan gibt es nur inoffizielle Gespräche. Vor einem halben Jahr war ich selbst mit einer Dele­gation in verschiedenen Golfstaaten. Die Eliten und die Mittelschicht erkennen die Vorteile einer strategischen Partnerschaft mit Israel. Es gibt dort eine erstaunliche Offenheit und ich musste feststellen, dass die Haltung dort gegenüber Israel in Teilen positiver war als in einigen europäischen Staaten.
Wo sehen Sie die größten Gefahren für die Sicherheit Israels in den nächsten Jahren?
Israel hat nicht den Luxus, sich auf eine spezifische Gefahr konzentrieren zu können. Es gibt eine ganze Reihe von ähnlich wichtigen Bedrohungen. Neben einem nuklearen Iran, den auf Israel gerichteten Raketen aus Gaza und dem Libanon, gibt es auch die stärker werdenden Jihadisten von al-Qaida, die sich an Israels Grenzen, im Sinai und Syrien und anderen Teilen des Nahen Ostens bewegen. Der Krieg in Syrien ist tragisch. In erster Linie natürlich für die Syrer. Aber auch für Israel, das natürlich am liebsten einen demokratischen und stabilen Nachbarstaat hätte.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sprach auch der iranische Außenminister Mohammed Zarif. In seiner Heimat redet er davon, dass das Atomabkommen in Genf ein Sieg über den Westen gewesen sei. Während auch die EU und die USA die Genfer Interimsvereinbarung als Schritt in die richtige Richtung begreifen, sind nur die Israelis skeptisch. Wieso trauen Sie diesem Regime nicht?
Die iranische Politik hat sich tatsächlich in Teilen verändert. Aber hauptsächlich, um die Sanktionen loszuwerden. Diese Sanktionen, die den Iran unter Druck setzen sollten, seine nuklearen Aktivitäten zu beenden, haben die iranische Wirtschaft sehr stark belastet. Das war der Grund, warum der Iran seine Haltung ändern musste und geändert hat. Der Iran tritt nun wesentlich moderater auf und hat direkte Verhandlungen mit dem Westen aufgenommen. Allerdings gibt es keine Indizien dafür, dass das iranische Regime sein Nuklearprogramm, das ohne Zweifel auch militärischen Zwecken dient, tatsächlich auf Eis legt. Der Politikwechsel im Iran ist kein Ausdruck eines Verzichts auf Atomwaffen. Im Gegenteil: Die oberflächlichen Veränderungen sollen allein der Aufhebung der Sanktionen dienen. Und damit ist der Iran erfolgreich gewesen.
Woher wissen Sie, dass es sich um ein militärisches Atomprogramm handelt?
Dafür gibt es eine ganze Reihe von Belegen. Zum Beispiel hat der Generalsekretär der Atomenergiebehörde IAEA, Yukiya Amano, in München deutlich gemacht, dass es für ihn Hinweise auf ein militärisches Atomprogramm gibt. Der Iran ist den Aufforderungen der IAEA bislang nicht nachgekommen, die unter Verdacht stehenden Nuklearanlagen von dieser unabhängigen Behörde begutachten zu lassen. Der Iran verhindert freundlich, aber bestimmt eine solche Kontrolle.
Die USA scheinen in dem Deal eine gelungene Einigung zu sehen, auf die man aufbauen kann. Ist das kurzsichtig?
Nein. Die USA äußern sich auch sehr klar. Sie ­sagen, dass diese Verhandlungen nicht auf Vertrauen aufbauen und sie genau hinsehen werden, was sich ändert. Die USA sind gut informiert. Sie wollen der Diplomatie eine letzte Chance geben und erwarten keine freundlichen Worte, sondern überprüfbare Beweise.
Und die Europäer?
Alle Experten in den europäischen Regierungen sind kompetent und kennen die Fakten. Frankreich und Großbritannien sind Atommächte. Sie wissen, was es braucht, um Atomwaffen herzustellen. Die Richtung ist auch bei den Europäern ähnlich wie bei den Amerikanern, nur gibt man sich besonders diplomatisch und höflich. Vielleicht ist man in Europa auch etwas hoffnungsvoller als in den USA.