Kommentiert die Entscheidung, die Betreuung in Hamburgs Jobcentern zu intensivieren

Unfreiwillig auf Kontaktsuche

In Hamburgs Jobcentern soll die Kundenbetreuung intensiviert werden.

Als gegen die Einführung von Hartz IV protestiert wurde, wurde die Frage immerhin noch gelegentlich gestreift, warum zu all den unsinnigen, unbekömmlichen und umweltschädlichen Dingen, die in der Welt ohnehin schon getan werden, unbedingt noch weitere hinzukommen sollen, zum Beispiel, im Jobcenter »Fälle« zu verwalten. Inzwischen hat die Agenda 2010 jedoch die Gesellschaft derart zugerichtet, dass ein Denken jenseits des Hamsterrads der Arbeitsgesellschaft kaum mehr möglich ist.
Ob Hamburgs Arbeitslose der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und den Kirchen dankbar sein werden, sei dennoch dahingestellt. Diese hatten das dortige Institut für Sozialforschung mit einer im vorigen Jahr veröffentlichten Studie beauftragt, aus der hervorgeht, dass die Jobcenter der Stadt ihre schwer vermittelbaren »Kunden« meist lediglich verwalteten; sie hätten, so heißt es, »geringe oder gar keine Bemühungen« unternommen, ihre hoffnungslosen Fälle in Arbeit zu bringen.
Von diesem Monat an soll sich das ändern. Eine interne Arbeitsanweisung, die ihren Weg in die Redaktion der Taz fand und die Bürokratiepoesie um den Begriff »Kontaktdichtekonzept« bereichert, setzt den Angestellten der Jobcenter neue Mindestvorgaben. Klingt nach Akkord und bedeutet, dass die Mitarbeiter nun verpflichtet sind, jeden ihrer Klienten, unabhängig von deren Lebenssituation, alle drei Monate zum »Beratungsgespräch« zu laden. Unter 25jährige sollen sogar alle zwei Monate im Amt erscheinen und sich zudem von sich aus mindestens einmal monatlich telefonisch bei ihrem Sachbearbeiter melden.
Ob es überhaupt Jobs für die Leute gibt, oder Arbeitgeber, die nur auf die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern und den 50jährigen Bau­arbeiter mit kaputtem Rücken warten, ist dabei zweitrangig. Die neue Vorgabe wird vor allem dazu führen, dass noch mehr Sanktionen gegen Langzeitarbeitslose verhängt werden, die nicht zum Termin erscheinen, ihre erhöhten Mindestbewerbungszahlen nicht einhalten oder eine ­»zumutbare« Drecksarbeit ablehnen.
Es ist allerdings nicht nur der Realitätssinn der Jobcenter-Mitarbeiter, der sie bisher dazu ver­anlasst hat, ihrer schwer vermittelbaren Kundschaft wenigstens nicht allzu sehr auf die Pelle zu rücken: Sie sind auch schlicht überfordert. Die Studie des Instituts für Sozialforschung hat ­ergeben, dass die Mitarbeiter oft doppelt so viele Arbeitslose betreuen wie vorgeschrieben. Hinzu kommt der notorisch hohe Krankenstand, der wiederum Resultat des Drucks ist, den die gesetzlichen Vorgaben auf die Angestellten ausüben. Da bleibt fraglich, wie das »Kontaktdichtekonzept« überhaupt praktisch umgesetzt werden soll. Neueinstellungen sind nach Angaben von Job­center-Sprecherin Kirsten Maaß jedenfalls nicht geplant.
Und auch auf ihre bekannteste Kollegin müssen die Mitarbeiter weiter verzichten: Inge Hannemann, die in ihrem Blog »altonabloggt« die Zustände in den Jobcentern anprangert hat und daraufhin im April von der Arbeit freigestellt wurde (Jungle World 18/2013), wird vorerst nicht wieder eingestellt, entschied kürzlich das Hamburger Arbeitsgericht im Eilverfahren. Dass sich andere ein Vorbild an ihr nehmen und sich weigern, den Druck nach unten weiterzugeben, wird schon die reine Existenzangst verhindern.