»Es kann jeden Tag losgehen«

Im April sprach sich die Belegschaft des Amazon-Versandzentrums in Leipzig für einen Streik aus. Nun haben dies auch ihre Kollegen im Versandzentrum in Bad Hersfeld getan. Bernhard Schiederig, der Verhandlungsführer für die Gewerkschaft Verdi in Bad Hersfeld, spricht über den Arbeitskampf.

Sie sollten in Bad Hersfeld den Amazon-Geschäftsführer Ralf Kleber und den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück treffen.

Wir haben keinen Kontakt zu Kleber gehabt, sondern nur zu Steinbrück. Kleber hat Steinbrück gesagt, dass er weiterhin gesprächsbereit sei. Wir wollen mit ihm aber keine weiteren Gespräche führen, sondern Tarifverhandlungen. Diese verweigert er.

Es wird also bald gestreikt?

Es kann jeden Tag losgehen. Wir schauen uns die Betriebsabläufe noch einmal genau an und entscheiden dann, an welchem Tag wir zum Streik aufrufen.

Wird dieser Streik mit den Kollegen aus Leipzig koordiniert?

Wir koordinieren uns, es muss aber nicht zu gleichen Streiktagen kommen.

Wie ist die Lage in den weiteren Amazon-Versandzentren?

An den anderen Versandstandorten sind wir damit beschäftigt, die Betriebsräte zu wählen und die Betriebsstätten so weit gewerkschaftlich zu organisieren, dass wir dort auch die Forderung nach einem Tarifvertrag stellen können.

Im Februar hat die ARD eine Dokumentation über die schlechten Arbeitsbedingungen ausländischer Saisonarbeiter bei Amazon ausgestrahlt. Gilt der Einsatz für bessere Bedingungen auch ihnen?

Grundsätzlich ja. Deshalb waren wir froh, dass Steinbrück das Gespräch mit dem Betriebsrat und Verdi gesucht hat, um genau diese Problematik anzusprechen. Er möchte entsprechende Regelungen einführen, wenn er an die Regierung kommt: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Steinbrück dürfte Kleber etwas Unternehmerfreundlicheres erzählt haben.

Ich halte seine Aussagen für glaubwürdig. Die betrieblichen Vertreter haben ihm den Missbrauch offengelegt, der mit den bisherigen gesetzlichen Regelungen möglich ist. Bei Amazon werden Arbeitnehmer über 24 Monate hinweg dreimal befristet angestellt. Wenn sie dann beschäftigt werden, bekommen sie eine sechsmonatige Probezeit. Wenn sie danach nicht weiterbeschäftigt werden, sind sie drei Jahre lang »gesperrt«, weil Amazon befürchtet, dass sie sonst eine unbefristete Beschäftigung durchsetzen würden. Steinbrück hat verstanden, dass das so nicht mehr geht.