Das gute Leben kommt noch

Gut ausgebildet und doch ohne anständigen Job, vielleicht sogar den Doktor in irgendeiner Geisteswissenschaft gemacht und trotzdem weniger in der Tasche als ein Schlecker-Mitarbeiter, das ist das Schicksal des Kulturprekären. Man wundert sich ja immer mal wieder über den ausbleibenden Aufstand des Kulturpreka­riats angesichts dieser Situation, überall gibt es eine anständige »Occupy«-Bewegung, bloß hierzulande nicht. Aber das lässt sich leicht erklären. Denn den meisten Kulturprekären geht es perspektivisch paradoxerweise gar nicht so schlecht. Bekanntlich ist Bildung in Deutschland etwas, das immer noch abhängig ist von der sozialen Klasse. Kinder von Studienräten und Zahnärzten machen mit weit größerer Wahrscheinlichkeit Abitur und Uniabschluss als der Nachwuchs von Fließbandarbeitern. Bis Ende 20 hoffen die Kulturprekären aus gutem Hause zusammen mit ihren Eltern noch darauf, dass dank ihres kulturellen Kapitals aus ihnen noch mal etwas wird. Mitte 30 geben dann langsam alle die Hoffnung auf. Spätestens wenn das erste Kind kommt, lassen sich die Kulturprekären von ihren Eltern unterstützen. Wenn das Geld mal wieder nicht reicht, ruft man halt Mutti an. Und irgendwann, so ab Anfang 40, wenn man sich langsam so richtig darüber aufregen sollte, dass man einfach nicht anständig verdient, wird man immer entspannter. Weil man weiß: Man kommt aus gutem Haus und das Erbe wird üppig sein. Occupyen sollen halt die anderen.