Über Model-Castingshows im deutschen Fernsehen

Model werden wollen

Jungen Frauen dabei zuzusehen, wie sie sich um einen Job als Model bewerben, ist nur begrenzt unterhaltsam. Zumal die Castingshows von Heidi Klum oder Eva Padberg und Karolína Kurková immer nach demselben Schema inszeniert sind.

MModels, wohin man schaut. In Möbelhaus- und Baumarkt-Prospekten, in Katalogen Kittelschürzen produzierender Unternehmen, auf Putzmittel­etiketten und Rasierklingenverpackungen. Für diejenigen, die von einer Modelkarriere träumen und sich deswegen als Kandidatin bei »Germany’s Next Topmodel« (GNTM) oder dem neuen Konkurrenz-Format »Das perfekte Model« beworben haben, dürfte ein Job als Gesicht einer Rasenmäher- oder Billigmargarine-Kampagne jedoch vollkommen indiskutabel sein, denn die Frauen wollen auf die Cover der großen, international renommierten Modezeitschriften oder bei Dior-Modenschauen über den Laufsteg schweben. Mindestens.
Dabei könnte – selbst nur mäßige Kenntnisse in den Grundrechenarten vorausgesetzt – eigentlich jeder Mannequin-Aspirantin klar sein, dass die Sache mit den Titelstorys und den Mega­schauen gar nicht so einfach ist: Selbst wenn in nur zehn Ländern jedes Jahr eine Modelsuche-Sendung gezeigt würde, ergäbe das immerhin schon drei Top-Platzierte pro Land, also 30 potentielle Konkurrentinnen. Dazu kämen dann diejenigen, die in den Vorjahren gewonnen haben. Plus all die bereits als Models arbeitenden Frauen, die beispielsweise von den Scouts der großen Agenturen auf den Straßen und in den Discos dieser Welt entdeckt wurden. Das ergibt eine ziemlich große Menge Personen, die furchtbar gern ganz groß herauskommen wollen. Was eine Frau trotz solch minimaler Erfolgsaussichten dazu bringen könnte, Model werden zu wollen, ist möglicherweise die Einsicht, dass alles besser ist als einer dieser 9-to-5-Jobs, in denen es hauptsächlich darum geht, für einen Niedriglohn die Arbeitszeit stupide abzusitzen oder herumzustehen. Kein Wunder also, dass keine der Model-Shows unter einem Mangel an Bewerberinnen leidet.
Und gleichzeitig auch kein Wunder, dass die Quoten dieser Formate, die die neuen Giselle Bündchens hervorzubringen versprechen, mittlerweile erheblich gesunken sind. Was nicht nur daran liegt, dass kaum eine der bisherigen Siegerinnen richtig erfolgreich geworden ist, sondern auch an der Machart der Formate. Warum den Machern von Model-Sendungen beispielsweise irgendwer eingeredet hat, dass in jeder Staffel eine Kandidatin vorkommen muss, die sich als ausgewiesene Nervensäge zur Wurst macht, weiß kein Mensch. Und so bestechen auch die aktuellen Folgen dadurch, dass einige Teilnehmerinnen ungeniert und vor allem von niemandem gebremst viel Blödsinn erzählen, sich dumm benehmen oder sich als arrogante Zicke präsentieren. Dass aus Sarah aus Dresden, die in GNTM im sächsischen Singsang mit Vorliebe Obszönitäten vorträgt, bestenfalls eine neue Daniela Katzenberger werden kann, ist selbst dem Publikum klar – das aber wahrscheinlich gar keinen Bedarf an weiteren Leuten hat, die wegen nix berühmt sind.
Ganz anders und selbstverständlich total supertoll sollte die GNTM-Konkurrenz »Das perfekte Model« auf Vox werden. Nun ist das, was so ein Model können muss, mit Stehen, Gehen, Gucken und in Kleider Passen erschöpfend erklärt, was das, was in so einer Show geboten werden könnte, schon mal stark einschränkt. Und so zeigen die Moderatorinnen Eva Padberg und Karolína Kurková das, was im Prinzip schon überall sonst bereits zu sehen war: Laufstegtraining, Fotoposing, bisschen gesunde Ernährung und Ermahnungen allgemeiner Art. Nur wird das in dieser Sendung halt etwas freundlicher vorgetragen als bei Heidi Klum.
Und natürlich gibt es auch hier den Programmpunkt, ohne den keine Model-Suche auskommt: das Umstylen. So ein formvollendetes Umstyling bedeutet, dass einigen Kandidatinnen modische Ponys geschnitten oder Locken ins Haar gedreht werden, während anderen ausnehmend scheußliche Kurzhaarfrisuren oder sehr eigenartige Haarfarben verpasst werden. Dabei wurde nur in den ersten Staffeln viel geweint, bis die Kandidatinnen dann begriffen hatten, dass sie ganz schnell wegen fehlender Flexibiliät und mangelnder Dankbarkeit für den schicken neuen Look rausfliegen können. Dass kurze Haare im Modelbusiness zugleich geringere Jobchancen bedeuten, wie am Fall Paulas in »Das perfekte Model« sehr deutlich wurde, erhöht das Risiko rauszufliegen zwar auch, aber das haben die Wannabe-Models anscheinend noch nicht gemerkt. Hauptsache, es wird mitgemacht, denn Verweigerung ist ganz, ganz schlimm, schließlich soll ein Model machen, was der Kunde will.
Weshalb schon vor Jahren bei GNTM etwas erfunden wurde, das in Hundeschulen Gehorsamkeitsprüfung heißt und grob darin besteht, dass getan werden muss, was Herrchen oder Frauchen sagen. Im Fall der hartnäckig »Mädchen« titulierten jungen Frauen mit Model-Ambitionen bestehen solche Prüfungen meist darin, klaglos in kaltem Wasser oder im Regen zu frieren und dabei hübsch auszusehen, mit fiesem giftigen Krabbelgetier zu posieren und dabei freundlich zu lächeln und so weiter. Oder, wie in der diesjährigen Klum-Show, in einem offensichtlichen Training für das, was den Frauen droht, wenn es mit der Karriere dann doch nicht klappt: eklige Tiere essen. Nach dem Karriereende – oder im Fall der Fernsehkandidatinnen nach dem Ende des kurzfristigen Castingshow-Ruhms – kommen Models nämlich ins Dschungelcamp. Wo Sarah Knappik beziehungsweise Micaela Schäfer, einst bei »Germany’s Next Topmodel« nicht sonderlich erfolgreich, bereits vormachten, wie man stilvoll und graziös halbnackig in Maden baden oder lebendigen Raupen den Kopf abbeißen kann oder zumindest wie das geht, hysterisch sein und dabei gut aussehen.
Dass den unerschrocken zulangenden Frauen nach dem Dreh für einen fiktiven Werbespot für ein thailändisches Restaurant, bei dem Stinkefrüchte und Tausendfüßler auf der Speisekarte standen, erklärt wurde, niemand habe verlangt, dass sie das ganze Zeugs auch essen müssten, gehörte zu den Tiefpunkten des Modelshow-Genres, denn solches »Haha, reingefallen« ist schon bei Kandidaten-Vorführ-Shows wie »Deutschland sucht den Superstar« ein ziemlich guter Grund, nicht einzuschalten.
Dann gibt es bei GNTM noch eine grausame Neuerung: Natürlich haben auch Topmodels Familien, und wenig überraschend ist es, dass auch die Model-Kandidatinnen über welche verfügen. Und weil irgendwie der Human Touch fehlte, werden Mama, Papa und die Oma nun zum Bestandteil der Sendung, was ziemlich unerträglich ist, denn die Verwandtschaft sieht den Kampf um den Titel als familiäre Aufgabe, was bedeutet, das sie ganz schrecklich nervös ist und kaum einen geraden Satz herausbringt oder versucht, sich als idealtypische Familie zu verkaufen. Man kennt das, ständig sitzen alle zusammen und trinken Kaffee und essen ganz wundervollen selbstgebackenen Kuchen und haben keine Geheimnisse voreinander und so weiter, es ist ein Elend. Ein Elend, dass man nicht sehen möchte, vor allem dann nicht, wenn Oma erkennbar mit ihrem Restleben nicht das anfängt, was vernünftige Senioren und Seniorinnen tun sollten, nämlich das Ersparte auf ausgedehnten Reisen verjubeln oder zumindest damit, lustige teure Hobbys zu pflegen, sondern so lange herumgequengelt hat, bis sie sich auch noch ins überfüllte Auto gedrängelt hatte, um im Fernsehen zu sein. Aber vielleicht gibt es demnächst ja auch »Deutschland sucht die Superfamilie« oder so, und die Model-Shows sind einfach bloß Geheimcastings für den nächsten großen TV-Hit.