»Wir sind nicht anti«

Irgendwo hier sollte er zu finden sein, der Protest. Doch am »Brunnen der Völkerfreundschaft« auf dem Berliner Alexanderplatz sieht es aus wie immer: Imbissstände bilden eine unansehnliche Fressbudenzeile, die sich mischenden Gerüche von Currywürsten, Asia-Nudeln und Waffeln sorgen für ein blümerantes Gefühl im Magen, das zu diesem hoffnungslos verregneten Sonntagnachmittag passt. Vom »Camp der Empörten«, das nach griechischem und spanischem Vorbild pünktlich ab 15 Uhr auf dem Alexanderplatz entstehen sollte, ist nichts zu sehen. 200 Meter weiter steht eine Bühne, auf der sich eine junge Band erfolglos um die richtigen Töne bemüht. Vielleicht treffen sich dort ja die deutschen »Empörten«. Doch bei näherer Betrachtung stellt sich heraus: Es geht nicht um Empörung, sondern um Frieden. »Friedensfestival Berlin« nennt sich die Ver­anstaltung, auf den an der Bühne aufgehängten Bannern grinst Mahatma Gandhi. Rechts neben der Bühne haben die ÖDP und die »Violetten« Stände aufgebaut – statt »Empörten« also Ökos und Esos. Links neben der Bühne steht ein Zelt mit der Aufschrift: »Massage = Friedensarbeit«. Drei Personen haben sich darin auf Massageliegen niedergelassen und werden offensichtlich für den Weltfrieden ordentlich durchgeknetet. Dann sagt eine Frau den nächsten Musiker an, der rappt daraufhin über die Armut in der Welt. Die Ansagerin steht kurz darauf vor der Bühne. Das ist meine Gelegenheit: Ich frage sie nach dem »Camp der Empörten«. Sie weiß von nichts. Sonstige Anzeichen für irgendeinen Protest auf dem Alexanderplatz? »Also, hier gibt es keinen Protest, hier gibt es nur pro. Wir sind nicht anti«, sagt sie. Dabei hat die Gruppe »Echte-Demokratie-jetzt! acampada Berlin« ihren Aufruf für das »Camp der Empörten« zielstrebig im Internet verbreitet. Offensichtlich handelt es sich um eine Schönwetter-Kampagne. Und tatsächlich kann man es verstehen, dass die »Empörten« an diesem erbärmlich nasskalten Tag lieber zu Hause bleiben.