Emotionen für die Abenteurer

Profiler kennt man aus dem Fernsehen und dem Kino. Bei der Polizei diagnostizieren sie anhand zumeist unappetitlicher Details, welche Eigenheiten einen Serienkiller auszeichnen. Doch Profiler gibt es auch anderswo. So dürften spezialisierte Berater diverser Politiker Psychoprofile für diplomatische Verhandlungen erstellen und etwa Angela Merkel raten, in Hörweite Nicolas Sarkozys keine Witze über kleine Männer zu erzählen, weil es sonst schnell vorbei sein könnte mit der gemeinsamen Europa-Politik. Die meisten Profiler aber arbeiten im Marketing. Da der Kunde der offiziellen Lehre zufolge ein rational entscheidender homo oeconomicus ist, sind sie sehr darum bemüht, Diskretion zu wahren. Wir sollten daher der Hamburger Sparkasse (Haspa) dankbar dafür sein, dass sie mit freundlicher Hilfe des Nachrichtensenders NDR Info etwas Licht in die dunkle Welt des Marketings gebracht hat.
Viele Menschen haben bereits geahnt, dass sie als manipulierbare Trottel betrachtet werden. Doch hofften sie wohl, wenigstens als individuelle Trottel zu gelten, die einer auf sie persönlich zugeschnittenen Manipulation für würdig gehalten werden. Vor allem dann, wenn sie viel Geld anlegen. In Wahrheit aber werden sie einer Trottelgruppe zugerechnet, die en gros manipuliert wird. Zumindest bei der Haspa, die ihre Anleger in Kategorien einteilt, doch die Vermutung erscheint nicht abwegig, dass dies auch bei anderen Geldinstituten geschieht. Wenn Sie also bei einer »individuellen Anlageberatung« das Wort »Spaß« hören, können Sie davon ausgehen, dass man Sie für einen »Hedonisten« hält. Selbst wenn Sie dem Banker zustimmen, sollten Sie vorsichtig sein. Denn als »Hedonist« werden Sie »stark emotional« angesprochen, überdies macht man Ihnen »leicht verständliche« Angebote, hat also keine allzu hohe Meinung von Ihrer Intelligenz. »Stark emotional« redet man auch mit dem »Abenteurer«, der Berater wird gewarnt: »Entscheidungsdruck vermeiden. Er will selbst entscheiden.« Dass der Kunde entscheidet, ist also keine Selbstverständlichkeit. Doch auch im Geldgeschäft hat die Vernunft einen Platz. »Wegen eher skeptischer Grundhaltung bevorzugt er rationale und weniger emotionale Argumente«, heißt es über den »Disziplinierten«. Die Haspa bedauerte nach der Enthüllung, dass es »zu Missverständnissen gekommen ist«, und gibt an, alle Kundenprofile gelöscht zu haben. Die Verbraucherschützer sind empört, sinnvoller aber wäre es, das Profiling einmal auf die Profiler anzuwenden. Auch Berater ließen sich in Kategorien wie »Abenteurer« (riskiert das Scheitern des Anlagegesprächs, um dem Kunden etwas aufzuschwatzen) oder »Pflichterfüller« (will nicht gefeuert werden, weil er zu wenig verkauft) einzuteilen. Dann wüsste der Kunde, ob er seinen Berater eher rational oder emotional ansprechen sollte.