Und sie bewegt sich doch nicht

Als amerikanische Kommen­tatoren der Frage nachgingen, warum 18 Prozent ihrer Mitbürger glauben, Präsident Barack Obama sei ein Muslim, stießen sie auf eine Umfrage des Instituts Gallup. Im Jahr 1999 vertraten 18 Prozent der Amerikaner die Ansicht, die Sonne drehe sich um die Erde. Drei Jahre zuvor hatten in einer anderen Umfrage 16 Prozent der Deutschen kundgetan, dass sie auch nach mehr als 450 Jahren von den Erkenntnissen Galileo Galileis noch nichts wussten. Oder aber sie hatten von diesen Erkenntnissen gehört, sich aber entschieden, nicht daran zu glauben.
Angesichts dieses Prozentsatzes von Ignoranten erstaunt es nicht, dass Rechtspopulisten in den USA mit großem Erfolg den haarsträubendsten Unfug verbreiten, während man sich in Deutschland immer wieder an einem »Projekt 18« versucht. Es ist nicht erwiesen, dass sich unter jenen 18 Prozent der Deutschen, die eventuell eine von Thilo Sarrazin geführte Partei wählen würden, die Anhänger des geozentrischen Weltbilds wiederfinden. Man kann jedoch davon ausgehen, dass es sich um Menschen handelt, die glauben, was sie glauben wollen. Aber sind wir nicht alle so? Könnten Sie mathematisch beweisen, dass die Erde sich um die Sonne dreht? Vermutlich nicht, Sie haben sich entschieden, dies als gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis zu akzeptieren. Allerdings glaubte Galileo an das heliozentrische Weltbild und schrieb den Planeten eine Kreisbahn zu. Da die Sonne nicht der Mittelpunkt des Universums ist und die Bahnen der Planeten elliptisch sind, musste er ein wenig mogeln, nicht anders als seine klerikalen Gegner. Streng wissenschaftlich betrachtet hatten die damaligen Kontrahenten gleichermaßen unrecht. Dennoch hatte Galileo recht. Es bedarf manchmal eines gewissen Maßes an Sturköpfigkeit und auch des einen oder anderen Tricks, um dem Fortschritt zum Durchbruch zu verhelfen.
Eben dies wird nun aber auch von den Fans Thilo Sarrazins in Anspruch genommen. Mag ihr Idol sich auch manchmal verrechnen, Hauptsache, die Botschaft stimmt. Wer sich nicht die Mühe machen will, die Botschaft und ihre Grundlagen zu untersuchen, kann sich auch an zwei einfache Kriterien halten, um rechte Ignoranten zu erkennen. Der innovative Querulant ist nämlich unberechenbar. Der rechte Ignorant hingegen ist berechenbar, er richtet seine Botschaft unweigerlich gegen Menschen, deren sozialen Status er für niedriger hält als seinen eigenen. Das kann auch ein US-Präsident sein, sofern er nicht weiß ist. Überdies versäumt der rechte Ignorant es nie, sich als Opfer darzustellen, und meist hält er sich auch für eines. Denn er mag akzeptieren, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist. Nie aber wird er sich von der Überzeugung abbbringen lassen, es sei eine grenzenlose Ungerechtigkeit, dass er selbst nicht der Mittelpunkt des Universums ist.