Juristischer Streit im Zusammenhang mit den EU-Terrorlisten

Hauptsache Terrorist

Vor dem Juni 2007 waren die EU-Terrorlisten rechtswidrig, entschied der Europäische Gerichtshof. Das hat Auswirkungen auf ein Verfahren in Düsseldorf gegen Personen, die Spenden für eine auf der Liste stehende Organisation gesammelt haben sollen.

In einem Grundsatzurteil hat Ende Juni der Europäische Gerichtshof (EuGH) die seit 2002 geführten »EU-Terrorlisten« zumindest für den Zeitraum bis Juni 2007 für rechtswidrig erklärt. Sie waren im Dezember 2001 als Reaktion auf die Anschläge am 11. September auf Grundlage einer EG-Verordnung (2580/2001) des EU-Rats geschaffen worden. Damit sollten die Voraussetzungen für »spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus« geschaffen werden. Diese Maßnahmen sehen vor, dass das Vermögen von auf dieser Liste erfassten Gruppen und Einzelpersonen eingefroren wird, zudem dürfen den Gelisteten weder direkt noch indirekt Gelder oder Vermögenswerte zugeleitet werden.
Seit 2002 wird die Liste in einem geheim tagenden Ausschuss der EU in einem halbjährlichen Rhythmus aktualisiert. Das Beschlussverfahren ist für Außenstehende völlig undurchsichtig. Es gibt keine Protokolle, weder die Gründe für die Aufnahme in die Liste noch die zugrundeliegenden Erkenntnisquellen werden öffentlich gemacht. Bis vor drei Jahren wurden betroffene Gruppen oder Einzelpersonen nicht einmal über ihre Listung informiert. Erst nachdem Einzelpersonen vor dem EuGH geklagt hatten, fasste der EU-Rat im Juni 2007 einen neuen Beschluss, demzufolge betroffenen Personen und Gruppen nachträglich eine Begründung für ihre Listung zugestellt wird.

Anlass für das aktuelle Urteil des EuGH war eine sogenannte Vorlagefrage des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf im Zusammenhang mit dem dort seit Frühjahr laufenden Verfahren gegen Funktionäre der türkischen DHKP-C. Da die marxistisch-leninistische Untergrundorganisation in die EU-Terrorliste aufgenommen wurde, sind auch finanzielle Zuwendungen an die DHKP-C verboten. Den in Düsseldorf Beschuldigten wird daher – neben einer Anklage gemäß dem Gesetz über »kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland« (§ 129 b StGB) – ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) vorgeworfen, da sie trotz Listung der DHKP-C Spenden für die Organisation gesammelt haben sollen. Aus Sicht der Anklage ist dies gemäß § 34 AWG, der Verstöße gegen wirtschaftliche Sanktionsmaßnahmen der EU ahndet, strafbar. Doch offenbar schien selbst dem OLG Düsseldorf dieses Anklagekonstrukt, das den betreffenden Paragrafen mit der EU-Terrorliste verbindet, juristisch angreifbar.
Aufgrund der Entscheidung des EuGH ist die Strafbarkeit der Spendensammlung nun tatsächlich in Frage gestellt. Da die DHKP-C »vor Juni 2007 unter Verstoß gegen elementare Verfahrensgarantien in Listen aufgenommen wurde, die im Rahmen von Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus erstellt wurden«, so der EuGH, könnten diese Beschlüsse des EU-Rats keine Strafverfolgung begründen. Für die in Düsseldorf verteidigende Rechtsanwältin Britta Eder aus Hamburg ist dies zumindest ein Teilerfolg: »Aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs kann der Strafvorwurf des § 34 AWG insgesamt nicht mehr aufrechterhalten werden. Damit ist die Straferwartung erheblich reduziert.« Aus Sicht der Verteidigung müssten die Beschuldigten wegen dieser Entscheidung sofort aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Dem folgte das OLG Düsseldorf jedoch nicht. Nachdem dem Staatsschutzsenat ein Teil der Anklage weggebrochen ist, besinnt man sich dort wieder auf den § 129 b, mit dem nunmehr die Fortdauer der Untersuchungshaft für die Angeklagten begründet wird.

Es liegt nahe, dass das OLG mit seiner Initiative vor dem EuGH weniger die Interessen der Angeklagten als die eigene Rechtssicherheit bei Kriminalisierungsstrategien im Blick hatte. Das vermutet jedenfalls der Geschäftsführer des Republikanischen Anwaltsvereins, Carsten Gericke: »Das Außenwirtschaftsgesetz ist ja schon seit Jahr und Tag Gegenstand von gerichtlichen Verfahren. Aber es drängt sich der Verdacht auf, dass den zuständigen Stellen bei Staatsanwaltschaften und Gerichten erst langsam bewusst wird, welches probate Mittel da zur Verfolgung von politischen Gruppen in Verbindung mit der EU-Terrorliste schlummert.« Doch mit seiner Entscheidung zur Rechtswidrigkeit der EU-Terrorlisten für die Zeit bis Juni 2007 hat der EuGH nur bedingte Rechtssicherheit geschaffen. Der Generalsekretär des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte aus Berlin, Wolfgang Kaleck, stellt dazu fest: »Leider hat der Gerichtshof nicht über die Gültigkeit der Listen nach 2007 entschieden, denn diese verstoßen immer noch erheblich gegen fundamentale Verfahrensgrundsätze und Menschenrechtsstandards.« Noch immer sei ungeklärt, welche inhaltlichen Anforderungen an die Aufnahme in die Liste gestellt würden, so Kaleck. Denn offensichtlich folgt die Logik der Listung vor allem den politischen Interessen der beteiligten EU-Staaten. So weist die Rechtsanwältin Jutta Hermanns darauf hin, dass die EU-Terrorlisten »auf Zuruf einzelner Staaten je nach politischer und diplomatischer Befindlichkeit gefertigt« würden. Es fehle an einer völkerrechtlich verbindlichen Definition des Begriffs »Terrorismus«, meint Hermanns.
Diese politische Dimension des Problems konnte der EuGH mit seinem Urteil nicht lösen. Stattdessen wird der EuGH zum Ratgeber, wie künftig die Stigmatisierung als »terroristisch« gerichts­sicher zu organisieren ist. Dies könnte zwar dazu führen, dass die verantwortlichen Instanzen innerhalb der EU künftig die Erstellung der Terrorlisten mit transparenteren Verfahrensregeln verknüpfen, etwa mit einem Anhörungsrecht für Betroffene. Im Hinblick auf die dahinterstehenden politischen Erwägungen darf jedoch bezweifelt werden, ob Gruppen wie die Eta oder die PKK in einem Anhörungsrecht eine faire Chance sehen, würden sie sich doch mit einer Verfahrensbeteiligung der Gefahr von Verhaftungen aussetzen.