Bin eingeladen
Es wird immer schwieriger, Erklärungen aus der Friedensbewegung und der Nato voneinander zu unterscheiden. »Die militärische Strategie der Nato in Afghanistan ist gescheitert«, stellt »Die Linke« in ihrem Entschließungsantrag zum Afghanistan-Krieg fest. »Wir werden diesen Krieg nicht gewinnen«, sagt Brigadier Mark Carleton-Smith, der höchste britische Truppenkommandant in Afghanistan.
Auch über die Grundzüge einer politischen Lösung besteht weitgehend Einigkeit. »Der Ausschluss von moderaten Taliban aus dem politischen Prozess eskaliert die Gewalt. Dagegen schafft die Inklusion aller am Konflikt beteiligten konstruktiven Kräfte Raum für deeskalierende Verhandlungen und Kooperationen«, heißt es in einer Erklärung der Martin-Niemöller-Stiftung. »Es muss am Ende eine Versöhnung als Teil der politischen Lösung geben«, meint US-Verteidigungsminister Robert Gates.
Vier Tage lang verhandelte der saudische König Abdullah Ende September in Mekka mit 17 Repräsentanten der Taliban. Der afghanische Präsident Hamid Karzai forderte Anfang Oktober Mullah Omar, den Führer der Taliban, zur Rückkehr nach Afghanistan auf. Die Politiker der Nato-Staaten halten sich mit öffentlichen Äußerungen zurück, doch ist es unwahrscheinlich, dass Abdullah und Karzai ohne Rücksprache mit der US-Regierung handelten. Britische und amerikanische Offiziere befürworten die »Versöhnung«. Verhandlungen mit den Taliban seien »genau die Art von Fortschritt, die einen solchen Aufstand beendet«, sagte Carleton-Smith. David Petraeus, der US-General, der die Aufstandsbekämpfung im Irak leitete, sekundierte: »Man muss mit seinen Feinden reden.«
Derzeit streiten sich die Feinde noch darüber, ob sie mit der Nato reden wollen. »Unsere Bedingung wäre ein Abzug aller ausländischen Truppen«, sagte Zaibullah Mujahid, ein Sprecher der Taliban. Eine extremistische Fraktion glaubt an den Erfolg eines Zermürbungskrieges und gedenkt nicht, die Macht zu teilen.
»Keine Seite sollte Bedingungen für die Aufnahme von Friedensgesprächen stellen«, fordert hingegen Wakil Ahmed Muttawakil, ehemaliger Außenminister der Taliban, der an den Verhandlungen in Mekka teilnahm. Muttawakil repräsentiert die Pragmatiker unter den Jihadisten, die bereit sind, sich von al-Qaida zu distanzieren und ihre Interpretation der Sharia stärker an die Hauptströmung des traditionellen islamischen Fundamentalismus anzupassen. Diese Strömung ist der Wahhabismus, die Staatsdoktrin Saudi-Arabien, das in den neunziger Jahren die Taliban unterstützte. Abdullah ist kein neutraler Vermittler, er propagiert einen Deal, der auch den Einfluss Saudi-Arabiens stärken würde: Unter wahhabitischer Führung sollen sich regierungstreue und oppositionelle Warlords einigen.
Bei Linken und Liberalen ist die Rehabilitierung der Taliban bislang auf wenig Kritik gestoßen. Der heftigste Widerspruch kam aus dem Iran, dessen Regime damit rechnen muss, dass die antischiitischen Wahhabiten seinen Einfluss in Afghanistan mindern. Unzufrieden sind auch die Warlords aus dem Norden des Landes, die befürchten, der Paschtune Karzai und die paschtunischen Taliban könnten sich auf ihre Kosten einigen. Ob die Integration der Taliban die erhoffte Stabilisierung bringen würde, ist daher fraglich. Doch die Nato-Staaten, deren nation building gescheitert ist, scheinen zu jedem Kompromiss bereit zu sein, der ihre militärische Lage verbessern könnte.