Juan Orlando Hernández, der ehemalige Präsident von Honduras, wurde in den USA wegen Drogenhandels zu 45 Jahren Haft verurteilt

Besser spät als nie

Juan Orlando Hernández, der ehemalige Präsident von Honduras, wurde wegen Drogenhandels von einem US-Gericht zu 45 Jahren Haft und 7,5 Millionen US-Dollar Geldstrafe verurteilt. Das könnte die Bemühungen erleichtern, die Strukturen des Narco-Staats zu zerschlagen.

Rodolfo Peñabla erinnert sich noch gut an den Plausch mit dem Polizeibeamten auf einer der kleinen Schotterpisten rund um Marcala, der Kaffeestadt im Südwesten von Honduras. »Er erklärte mir, dass er und seine Kollegen als Patrouille im Einsatz waren, um einen leichten LKW bis an die Grenze zu Guatemala zu bringen – einmal quer durch das Land«, so Peñabla.

Er ist der Geschäftsführer der Kaffeegenossenschaft Comsa, mit über 1.600 Mitgliedern eine der größten Kaffee-Genossenschaften des Landes. Ihr Sitz liegt nur ein paar Kilometer von der Grenze zu El Salvador entfernt. Von da gab es vielen Indizien zufolge eine Route, über die Kokain nach Honduras kam und weiter gen Norden, in die USA, geschmuggelt wurde. Eine andere Route lief von Venezuela über Panama, Costa Rica und Nicaragua nach Honduras und von dort weiter in Richtung USA.

Das war und ist lukrativ. Nur hat Honduras als Drehscheibe an Bedeutung eingebüßt, nicht nur weil sich der Drogenmarkt verändert, sondern auch weil es weniger Protektion gibt als unter der Regierung von Präsident Juan Orlando Hernández (2014–2022). Der heute 56jährige Politiker des Partido Nacional habe die gesamte staatliche Infrastruktur in den Dienst des Drogenschmuggels gestellt, meinen Experten wie Joaquín Mejía. »Juan Orlando Hernández ist in Honduras weitaus erfolgreicher als Pablo Escobar in Medellín gewesen. Während Pablo Escobar auf öffentlichen Druck aus der Politik ausscheiden musste, hat Juan Orlando Hernández es ins höchste Staatsamt geschafft, sich entgegen den Verfassungsbestimmungen wiederwählen lassen und einen Narco-Staat aufgebaut. Den versuchen wir nun zu zerschlagen«, sagt Mejía. Der 46jährige Menschenrechtsexperte ist Jurist und Analyst des jesuitischen Forschungszentrum Eric-SJ aus El Progreso.

Juan Orlando Hernández genoss die Unterstützung von Barack Obama und Donald Trump, obwohl beide hätten wissen müssen, dass er Drogen gegen fürstliche Entgelte in die USA schaffte.

Die Kleinstadt, rund 50 Kilometer entfernt von der Industrie- und Handelsstadt San Pedro Sula, ist ein vergleichsweise ruhiges Pflaster in Honduras, aber während der Regierungsperiode von Hernández war auch Mejía zeitweilig nur mit Personenschützern ­unterwegs. Er hatte Morddrohungen erhalten, weil er die korrupten Strukturen in Honduras offen anprangerte. Damals diente der Staat nur den Interessen von Hernández und seinem mit ihm politisch wie auch ökonomisch verbundenen Umfeld. »Er hat eine parastaatliche Struktur aufgebaut, die die staatlichen Institutionen und alle staatlichen Ressourcen für den Drogenschmuggel missbrauchte«, so Mejía.

Teil des Systems Hernández war die Familie – mit Tony, dem Bruder des Präsidenten, an der Spitze. Der war der Erste, dem die US-Ermittler auf die Schliche kamen; er wurde am 30. März 2021 zu lebenslanger Haft verurteilt. Schon damals war ziemlich klar, dass das System Hernández früher oder später fallen würde, wenn die USA konsequent vorgehen. Ende 2021 gewann Xiomara Castro mit 15 Prozentpunkten Vorsprung vor ihrem Kontrahenten Nasry Asfura vom konservativen Partido Nacional die Präsidentschaftswahl. Anders als 2017 hatte es keine Manipulationen gegeben. Zwei Wochen nach der Vereidigung von Xiomara Castro, der ersten Frau im Präsidentenamt und zudem eine bekennende Linke, war es so weit. »Das Auslieferungsgesuch der USA für Juan Orlando Hernández zog seinem System den Stecker. Die Schlange hatte ihren Kopf verloren«, sagt Mejía.

Für ihn, gut vernetzt in den Strukturen der UN und auch in der progressiven US-Justiz, war immer klar, dass die Beweise für sich sprachen und der Machtmensch Hernández lange in Haft sitzen würde. In der Tat sprach im März ein Bundesgericht in New York City Hernández wegen Drogenhandels, illegalen Waffenbesitzes und Verschwörung schuldig, am 26. Juni wurde das Urteil verkündet: 45 Jahre Haft. Zudem soll der ehemalige Präsident, der früher förmlich in Geld schwamm, acht Millionen US-Dollar an die US-Behörden abführen. Das Geld werden sie nicht ohne weiteres bekommen, denn schon im Prozess hatte Hernández angeblich Schwierigkeiten, seine Anwälte zu bezahlen.

Der Justiz in Honduras könnten die Ermittlungsergebnisse und der Prozess in New York hingegen Informationen liefern, um gegen die in Honduras nach wie vor aktiven Strukturen des Systems Hernández vorzugehen, so Padre Melo. Der landesweit angesehene kritische Jesuitenpater mit dem bürgerlichen Namen Ismael Moreno Soto hofft auf eine Korrektur der Mehrheitsverhältnisse im Einkammerparlament: »Mehrere Abgeordnete der Nationalen Partei sollten sich auf Ermittlungsverfahren in Honduras einstellen, von etlichen wird sich die Partei trennen müssen.« Dort verfügt das von Libre, der Partei der Präsidentin Xiomara Castro, geführte Regierungslager über keine Mehrheit, was war in den vergangenen gut zwei Jahren der zentrale Grund war, weshalb die Präsidentin mit ihrem Reformprogramm kaum weiterkam.

Das könnte sich nun ändern, wenn die Justiz ernst macht. Doch die Hoffnung darauf haben etliche der An­hän­ger:in­nen Castros schon verloren, darunter Donny Reyes. Der 47jährige bekennende Homosexuelle ist Koordinator der queeren Menschenrechtsorganisation Arcoíris und wirft dem neuen, seit November 2023 verantwortlichen Personal in der Generalstaatsanwaltschaft vor, »business as usual zu betreiben«. »Die im Prozess gegen Juan Orlando Hernández präsentierten Beweise, die Indizien und die Zeugenaussagen haben hier in Honduras nicht die erhoffe Welle von Ermittlungen ausgelöst. Wir kommen nicht weiter bei der Rückgewinnung der Institutionen«, klagt Reyes. Er ist enttäuscht von der Präsidentin, die derzeit vieles so mache wie Nayib Bukele im benachbarten El Salvador. Ein neues Gefängnis, wenn auch keinen Megaknast wie beim Nachbarn, will die Präsidentin bauen lassen und damit ihre Entschlossenheit demonstrieren, gegen Gewalt und Korruption vorzugehen.

Doch ob das reichen wird, steht zu bezweifeln. Konkretes Handeln ist jedoch nötig, denn die Popularität der Präsidentin schwindet. Im Mai erschien eine Umfrage, die von Eric-SJ in Auftrag gegeben wurde. Demnach sahen nur 14,2 Prozent der Befragten Verbesserungen im Land dank der neuen Regierung. 39,2 Prozent waren hingegen der Meinung, dass Honduras stagniere, und 45,9 urteilten sogar, dass sich die Verhältnisse unter Xiomara Castro verschlechtert hätten.

Die Regierung steht unter Druck und ein Grund dafür ist, dass sie zentrale Wahlkampfversprechen nicht eingehalten hat – darunter die Einrichtung der UN-Kommission gegen Korruption und Straflosigkeit (Comisión contra corrupción y impunidad en Honduras, CICIH). Diese soll die honduranische Justiz unterstützen, ihre Einsetzung lässt seit Monaten auf sich warten. Offiziell heißt es, es werde weiterhin mit den Vereinten Nationen verhandelt. Doch Details werden nicht preisgegeben – für Mejía ein »kommunikatives Desaster«.

Mejía hat die Verhandlungen von Beginn an verfolgt und war noch Ende ­Januar recht zuversichtlich, dass das Abkommen zwischen den UN und der ­Regierung Castro in wenigen Monaten endlich präsentiert werden würde. Nun glaubt er, dass die Zuständigkeiten für Konflikte sorgen. Doch es gibt unterschiedliche Ansichten über die Gründe für die Verzögerung. Die einen machen einige der Politiker des Regierungsbündnisses Libre dafür mitverantwortlich, die Eigeninteressen verfolgen und eventuell wegen Korruptionsdelikten in den ­Fokus der CICIH geraten könnten. Doch es könnte auch an der schwergängigen UN-Bürokratie liegen.

Mejía, der beide Seiten kennt, meint, die Wahrheit liege in der Mitte. Er warnt die Regierung davor, ihre historische Chance auf einen grundlegenden Wandel in Honduras zu verspielen. Mitverantwortlich für die Probleme sind aber auch die USA. Schließlich genoss Juan Orlando Hernández die Unterstützung von zwei so unterschiedlichen Präsidenten wie Barack Obama und Donald Trump. Dabei hätten beide wissen müssen, dass er seine Macht und die Unterstützung der USA ausnutzte, um Drogen gegen fürstliche Entgelte in die USA zu schaffen.

Vor dem Gerichtssaal in Manhattan hatten sich Mitte voriger Woche einige Dutzend Honduraner:innen eingefunden. Nach der Verkündung des Urteils brachen sie in Jubel aus und hievten eine Hernández-Puppe in orangener Gefängnistracht und in Ketten in die Höhe. »Keine Nachsicht mit Narco-Politikern« stand auf einem Schild an der Puppe.