Am Ende des Regenbogens

Ole von Beust (CDU) hat gute Chancen, erneut Erster Bürgermeister von Hamburg zu werden. Doch selbst für den Fall einer von der Linkspartei tolerierten rot-grünen Regierung hält sich die Freude der außerparlamentarischen Linken in Grenzen. von gaston kirsche

»Hamburg boomt«, ist auf riesigen Werbetafeln zu lesen, die seit Ende Januar in der Stadt aufgestellt werden. In Schwarz-weiß ist Ole von Beust zu sehen, der optimistisch lächelt. Hinter ihm türmen sich Container auf, als Symbole der florierenden Hafenwirtschaft. Das Wahlplakat zeigt, um was es der CDU geht: die Hafenwirtschaft und andere Branchen wie die Luftfahrtindustrie. Die sozialen Verlierer der auf den Weltmarkt ausgerichteten Wirtschaftspolitik werden ausgeblen­det. Die Unbefangenheit, mit der sich die für die CDU tätigen Werber bei der Ästhetik Leni Riefenstahls bedienen, passt zu dem Personenkult, den Hamburgs CDU um Ole von Beust betreibt: Kraft durch Container, der starke Ole vorneweg! Neben dem »Café Ole«, das es bereits im Wahlkampf 2004 gab, kann man diesmal auch »Ole-TV« im Internet besuchen.

Carl-Friedrich Arp Freiherr von Beust ist seit Oktober 2001 Bürgermeister von Hamburg. Ole von Beust nennt er sich selbst, seit er 18 ist. Er übernahm 1977 den Vorsitz der Jungen Union, 1994 den Parteivorsitz in Wandsbek, dem mitgliederstärksten CDU-Kreisverband. Im September 1997 wurde er als Spitzenkandidat seiner Partei in die Bürgerschaft gewählt. Von Beust erinnert heute noch an einen beseelten Jungunionisten. In den siebziger Jahren wurden die Mitglieder der Jungen Union in Hamburg »Popper« genannt: Mit Ihren standesgemäßen Burlington-Socken und Pullovern mit V-Ausschnitt in gedeckten Farben grenzten sie sich von Linken und Proleten ab. Von Beust erklärte sich im September 2007 rückblickend zum Antikommunisten: »Der Sozialismus bzw. Marxismus wurde von vielen als ernsthafte Alternative zur marktwirtschaftlichen, freiheitlichen Ordnung gesehen. Da ich von Marxis­mus nichts halte, auch in seiner Theorie nicht, habe ich mich damals für die klare Alternative in Form der CDU entschieden.«

Derzeit sieht es so aus, als ob der Mann auch nach dem 24. Februar Hamburgs Erster Bürgermeister bleiben wird, vielleicht mit ein paar grünen Senatorinnen oder Senatoren in der Landesregierung, oder mit einigen von der SPD in einer großen Koalition. Die neue sozialdemokratische Partei »Die Linke« wird wohl in die Bürgerschaft einziehen und hat angeboten, eine rot-grüne Regierung zu tolerieren. Der Spitzenkandidat der SPD, Michael Naumann, hat aus antikommunistischen Motiven jede Zusammenarbeit mit der Linkspartei kategorisch ausgeschlos­sen, die Spitzenkandidatin der Grünen, Christa Goetsch, hält eine Tolerierung für »unseriös«. Die Linkspartei sei mit ihrem Angebot »nicht politikfähig« und drücke sich vor der Verantwortung, ist von den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der Grünen einhellig zu hören.

Dabei verhielt sich die Grün-Alternative Liste (GAL) bei ihrem ersten Einzug in die Bürgerschaft 1982 nicht anders als die Linkspartei derzeit: Sie bot der SPD damals auch an, einen sozialdemokratisch geführten Senat zu tolerieren. Geblieben ist der Name GAL, vergessen die eigene Geschichte. Noch dazu hat die GAL-Fraktion erst im September 2007 eine große Feier veranstaltet unter dem Motto »25 Jahre Bürgerschaftsfraktion«. Selbst auf der Homepage der GAL findet sich noch ein Hinweis auf die Tolerierungsangebote von 1982, die denen der Linkspartei recht ähnlich sind. Die Aufregung der Grünen über das vermeintlich unsittliche Angebot ist also nichts weiter als eine geschichtsvergessene Farce.

Teile der Linkspartei in Hamburg werden wohl den Weg der GAL gehen und als sozialdemokratische Juniorpartner über etliches hinwegsehen, wenn eine Regierungsbeteiligung in Aussicht steht. Das mag noch ein paar Jahre dauern, bis dahin werden auch die verbliebenen Aktivistinnen und Aktivisten der sozialen Bewegungen vom Landesverband aufgesogen werden. Ole Frahm vom Freien Sender Kombinat (FSK) sieht es im Gespräch mit der Jungle World ähnlich: »Die einzige Bedeutung der Wahl für die außerparlamentarische Linke ist, dass die Linkspartei die wenigen Kräfte, die sich nicht parteilich organisieren, noch geringer werden lässt. Die Hoffnung auf Repräsentation ist immer noch größer als das Begehren der Aneignung.«

Ein langjähriger Aktivist aus dem sozialrevolutionären Spektrum sieht die Wahl ähnlich: »Sie bekommt höchstens dadurch eine Bedeutung, dass wir uns auf sie konzentrieren, anstatt uns kollektiv zu überlegen, wie wir die Misere unseres Lebens aufheben können.« Peter Birke von der linksgewerkschaftlichen Gruppe Blauer Montag widerspricht: »Ich habe keinerlei positive Erwartungen an eine Linke in der Regierung, denke aber, dass eine Linke im Parlament durchaus wichtig ist. Seit 2001 ist das Wissen über ökonomische, politische und soziale Vorgänge in dieser Stadt meines Erachtens auf unserer Seite auch deshalb zurückgegangen, weil eine linke Partei gefehlt hat.«

Bei den Wahlen 2001 erhielt die rechtspopulistische Schill-Partei fast 20 Prozent der Stimmen, vor allem von früheren SPD- und DVU-Wählern, der rotgrüne Senat wurde vom »Bürgerblock« abgelöst. Fachreferentinnen und einzelne Abgeordnete der Grünen zeigten damals die Bereitschaft, Initiativen mit Informationen aus der offiziellen Stadtpolitik zu versorgen. Von 1999 bis 2001 waren in der Hamburger Bürgerschaft auch noch Abgeordnete der WählerInnenvereinigung Regenbogen vertreten, ehemalige Grüne, die sich wegen der Zustimmung zur Bombardierung Jugoslawiens von der Partei abgespalten hatten. Regenbogen hat sich im Dezember 2007 als Vereinigung aufgelöst, das ehemalige Mitglied Norbert Hackbusch wird für die Linkspartei in die Bürgerschaft einziehen. Aber Christoph Speier, der drei Jahre im Vorstand von Regenbogen war, betont: »Der größere Teil der zuletzt knapp 140 Mitglieder hat sich nicht dem autoritären und sozialpopulistischen Politikmodell der Linkspartei zugewandt, sondern bleibt auf Distanz. Wer in Hamburg an ernsthafter Stadtpolitik interessiert ist, muss aktiv zurück in die Reste sozialer Bewegungen. Mit dem Ende einer eigenständigen Wahlpolitik von Regenbogen verschwindet auf dieser Ebene die links-libertäre Option.«

Darüber, ob die außerparlamentarische Linke bisher Einfluss auf die Stadtpolitik nehmen konn­te, herrschen unterschiedliche Meinungen. Manfred Klingele, Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sagt der Jungle World: »Ich wüsste nicht so recht, wo Linke Einfluss nehmen konnten.« Peter Birke von der Grup­pe Blauer Montag dagegen schätzt den Einfluss linker Bewegungen zwar recht groß ein, schränkt jedoch ein: »Die Bewegungen gegen die Sparpolitik von Schwarz-Schill, gegen die Räumung von Bambule waren nur für den Augenblick stark und nicht beständig genug, um wirklich systematisch einzugreifen. Das Resultat ist, dass unsere Proteste in die institutionelle Politik eingehen, wie in der neusten Debatte um das Soziale, aber merkwürdig enteignet und verschoben.«