Unter Kommunisten
Der Titel der Autobiografie der italienischen Kommunistin Rossana Rossanda ist irreführend. »Die Tochter des 20. Jahrhunderts« gibt vor, es handele sich um einen Epochenüberblick. Doch sie schreibt keine Chronik. Sie erzählt vom Scheitern des Kommunismus und der Kommunistischen Partei Italiens (PCI). Diese Geschichte ist Teil ihrer Lebensgeschichte: von der Resistenza über die Parteibasis in Mailand bis in den Parteiapparat nach Rom. Jahre zäher Kämpfe. Schon 1968 ist für Rossanda jede Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderung verloren. Nicht weil sie zusammen mit der Gruppe »il manifesto« aus dem PCI ausgeschlossen wird, sondern weil die Partei zu dem Schluss gekommen scheint, »letztlich sollte man das Beste von der Bourgeoisie übernehmen«, und weil die neue Linke dem Rückzug des PCI nichts entgegenzusetzen hat.Rossanda ist nicht verbittert, sie bereut nichts. Nirgends erfüllt sie die Rolle der »Tochter«. Obwohl stets »die Jüngste unter den Männern des PCI«, tritt sie nicht als deren Ziehkind auf. Sie ist eigensinnig, selbstbewusst, intelligent und emanzipiert. Allerdings fragt sie sich immer wieder, »was es heißt, Frau zu sein«. Wer die scharfen Polemiken Rossandas gegen die Frauenbewegung der siebziger Jahre kennt, mag vom wiederholten Bezug auf die »feministischen Freundinnen« überrascht sein. Doch sind es diese Reflexionen, die sie vor der Vereinnahmung als weiblicher Galionsfigur bewahren und ihre Erinnerungen lesenswerter machen als die Memoiren vieler Söhne jener Zeit.
Rossana Rossanda: Die Tochter des 20. Jahrhunderts. Suhrkamp, Frankfurt/M. 2006, 475 Seiten, 26,80 Euro