Deutschland übernimmt

Ist eine diplomatische Lösung im Konflikt um das Kosovo noch möglich? Die EU hat nun einen deutschen Diplomaten mit dieser Mission betraut. von boris kanzleiter

Wolfgang Ischinger gilt als Balkan-Kenner und soll über ausgezeichnete Kontakte nach Wa­shing­ton und Moskau verfügen. Diese Qualifikationen wird er auch benötigen, um seine neue Mission zu erfüllen. Der deutsche Karrierediplomat soll den festgefahrenen Konflikt um das Kosovo lösen. In den kommenden Monaten wird er als Vertreter der Europäischen Union zusammen mit Gesandten der USA und Russlands eine neue Verhandlungsrunde zwischen Serbien und dem Kosovo führen. Es ist die voraussichtlich letzte Chance, eine diplomatische Lösung im Dauerkonflikt um den zukünftigen Status der umstrittenen Provinz zu finden.

Mit der Ernennung Ischingers in der vergangenen Woche übernimmt Deutschland eine zentrale Rolle im kniffligen Streit, der sich in den vergangenen Monaten zu einer bitteren Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland ausgeweitet hat. Im Kosovo selbst ist Deutschland bereits an höchster Stelle führend. Die Verwaltung der Vereinten Nationen (Unmik) wird vom deutschen Diplomaten Joachim Rücker geleitet. Der Bundeswehrgeneral Roland Kather kommandiert die 16 000 Soldaten starke internationale Kfor-Truppe, in der die Deutschen das größte Kontingent stellen.

Das Engagement der Deutschen kommt nicht von ungefähr. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat das Kosovo zur »Top-Priorität« erklärt. Tatsächlich ist eine diplomatische Lösung für die Interessen Deutschlands und der EU von großer Bedeutung. Denn sollten die Gespräche erfolglos verlaufen, droht der Kosovo-Premierminister und ehemalige UCK-Generalstabschef Agim Ceku mit einer Unabhängigkeitserklärung der Provinz. Von Balkan-Spezialisten wird diese Möglichkeit als »Albtraum-Szenario« bezeichnet.

Im Kosovo würde ein Scheitern des diplomatischen Prozesses mit hoher Wahrscheinlichkeit zu neuer Gewalt führen. Das serbische Parlament hat erst vor wenigen Tagen in einer einmütig abgestimmten Resolution bekräftigt, eine Unabhängigkeitserklärung unter keinen Umständen anzuerkennen. Während die serbische Regierung von Russland unterstützt wird, steht die US-­Administration hinter der albanischen Selbstverwaltung in Pristina. Eine unilaterale Unabhängigkeitserklärung und ihre bereits angekündigte völkerrechtswidrige Anerkennung durch die USA würden die ohnehin gespannten Beziehungen zwischen den USA und Russland weiter schwer belasten. Gleichzeitig wären die Bemühungen der EU erfolglos gewesen. Während einige Mitgliedsländer das Kosovo anerkennen wollen, wehren sich andere dagegen. Von einer gemeinsamen Außenpolitik bliebe wenig übrig. Notwendig wäre sie aber genau in diesem Moment, um die sich anbahnende erneute Eskalation im Kosovo zumindest einzudämmen.

Kein leichter Job also für Wolfgang Ischinger. Bedauern muss man ihn aber nicht. Schließlich war er zur Zeit des Nato-Bombardements im Frühjahr 1999 Staatssekretär im Auswärtigen Amt. Als enger Mitarbeiter von Außenminister Joschka Fischer hat er damals mitgeholfen, die Grundlagen für die heutigen Probleme im Kosovo zu legen.