Braunes Feuer, rotes Wasser

Die NPD biedert sich der Partei »Die ­Linke« an. Besonders Oskar Lafontaine hat es den Rechtsextremen angetan. Von Jan Langehein

In den neunziger Jahren brüstete sich die Union gerne mit einer etwas ausgefallenen Form des Antifaschismus. Sie verhindere den Einzug von DVU oder Republikanern in die Parlamente, indem sie einfach die politischen Inhalte vertrete, die die Rechtsextremen attraktiv machten, meinten die Strategen der Partei damals. Und tatsächlich: Die Hetze gegen die »Asylantenschwemme« und die »Ausländerkriminalität« bekamen die Bürger damals von Peter Gauweiler (CSU) genauso demagagogisch präsentiert wie von Franz Schönhuber von den Reps; die christlich-soziale Demagogie aber schien demokratisch legitimiert zu sein. Heute, ein gutes Jahrzehnt später, haben sich die Adressaten der rechtsextremen Agitation verändert. Statt nur am rechten Rand der Konservativen auf Wählerfang zu gehen, versucht die NPD, auch Menschen von der anderen Seite des politischen Spektrums für sich zu gewinnen. Ihre »Gib 8«-Kampagne vom Frühjahr etwa warb um die Gunst der Globalisierungskritiker; seit dem Zusammenschluss von Linkspartei und Wasg zur Partei »Die Linke« steht diese im Mittelpunkt rechtsextremer Werbung. Und vor allem ein Vertreter der Partei scheint es der NPD angetan zu haben. Oskar Lafontaine wird von den Neonazis als Ga­lionsfigur einer kommenden Querfront ausgemacht. Der Generalsekretär der NPD, Peter Marx, sagte kürzlich: »Lafontaine vertritt außenpolitisch lupenreine, völlig authentische NPD-Posi­tionen.« Er lobt vor allem die Polemik gegen US-geführte Antiterrorkriege und die Forderung nach der »Eindämmung des Aggressionsstaates Israel«, wie Marx es nennt. Er freut sich schon auf »gemeinsame Aktionen mit dem antiimperialistischen Flügel der Linken«, die möglich seien, weil »der alte Rechts-Links-Gegensatz zunehmend an Bedeutung verliert«. »Die Linke« wird auf solche Avancen sicherlich nicht eingehen. Nach wie vor beruft sie sich auf antifaschistische Traditionen, und ihre Gliederungen sind bei jeder Demonstration gegen eine NPD-Kundgebung mit dabei. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch bezeichnete das Werben der Neonazis als »plumpen Anbiederungsversuch« und erklärte kategorisch: »Linke und Neonazis passen zusammen wie Feuer und Wasser.« Doch trotz solch klarer Distanzierungen sind die Gemeinsamkeiten, auf die die NPD zielt, nicht völlig von der Hand zu weisen. Solange die Rechtsextremisten vorwiegend gegen »Überfremdung« und »Asylantenschwemme« agitierten, wären ihre Annäherungsversuche tatsächlich absurd gewesen – schließlich zählte die damalige PDS zu jener Minderheit, die sich der faktischen Abschaffung des Asylrechts widersetzte. Seit aber die globalisierungskritische Bewegung Konjunktur hat und der Antiamerikanismus nach dem 11. September 2001 einen Aufschwung erlebte, hat der Rassismus bei den Neonazis seine beherrschende Rolle eingebüßt. Die NPD entdeckte, dass sie mit ihrem Hass auf die USA und Israel viel mehr Menschen erreichen kann als mit dem auf Ausländer; mit der antisemitisch konnotierten Agitation gegen das Finanzkapital und die »Heuschrecken« spricht sie möglicherweise mehr Menschen an als mit ihrer Hetze gegen »Asylanten«. Während der offene Rassismus in der Gesellschaft großteils geächtet ist, sind diese Meinungen unterschwellig weit verbreitet. Und hier trifft die NPD auf Lafontaine. Beide verbreiten einen ressentimentgeladenen Antikapitalismus, der mit der Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx nichts zu tun hat. Sie bedienen ein diffuses Unbehagen und bestätigen Feindbilder; sie inszenieren ihre Auftritte als »mutigen Tabubruch« gegen den Mainstream und die so genannte Political Correctness und glauben, dass sie damit die Massen erreichen; sie stehen für die konformistische Rebellion in Reinkultur. »Die Linke« kommt der NPD beimThema »Ausländer« dank Lafontaine entgegen: Vor zwei Jahren etwa polemisierte er bereits gegen »Fremdarbeiter«, die deutschen Familienvätern die Arbeitsplätze wegnähmen, und biederte sich so beim ordinären Ausländerhasser an. Der »kleine Mann« habe unter der Einwanderung mehr zu leiden als die Eliten, die sie zu verantworten hätten, sagt Lafontaine. Was diese Meinung von der offen rassistischen unterscheidet, ist ihre ideo­logische Legitimierung. Die NPD argumentiert mit »Volk« und »Rasse«, Lafontaine beschränkt sich auf den Nationalismus; die NPD sagt offen: »Ausländer raus!«, Lafontaine hingegen schreibt in seinem Buch »Politik für alle«, in Zeiten hoher Arbeitslosenraten sei es unverantwortlich, noch mehr Menschen zuwandern zu lassen. Eine Querfront ist mit der Partei »Die Linke« und ihrem antifaschistischen Selbstverständ­nis dennoch nicht zu machen, das weiß die NPD. Sie trägt die Ge­mein­sam­keiten nicht deshalb so offensiv vor, weil sie hofft, das »System« von rechts und links in die Zange nehmen zu können, sondern weil sie sich um ihre Zukunft sorgt. Im Osten und im Westen haben beide Parteien jeweils ihre feste Anhängerschaft, und für diese schließt sich eine Zusammenarbeit mit der jeweils anderen aus; darüber hinaus konkurrieren sie aber um ähnliche Wählerschichten. Im Osten ist »Die Linke« eine Volkspartei; ihre Anhänger findet sie hier unter autoritär strukturierten DDR-Nostalgikern und unter Verlierern der Wende. Will sie im Westen Fuß fassen, kann sie sich auch dort nicht wie bisher nur auf die Mitglieder sozialer Bewegungen verlassen, sondern hofft auf die Leidtragenden der gesellschaftlichen Veränderungen, die Globalsierungsverlierer. In beiden Spektren hofft auch die NPD auf Zustimmung. Inzwischen aber hat »Die Linke« das gefunden, was den Neonazis in den vergangenen 20 Jahren gefehlt hat: ein Agitator, der in der Lage ist, die Ressentiments der Bürger anzusprechen und in Stimmen zu verwandeln. Lafontaine ist dank seiner politischen Vergangenheit weithin bekannt und bedient sich der Pseudoargumente, auf die die NPD gern das Urheberrecht hätte. Die Neonazis fürchten nicht zu Unrecht, dass »Die Linke« ihnen die Wähler klaut. In Bremen bei der Wahl im Frühjahr flog die DVU aus der Bürgerschaft, die Linkspartei dagegen zog ein und bekam von den Rechtsextremen der Statistik zufolge rund 5 000 Stimmen. Mehr Stimmen erhielt sie nur von der SPD. »Die Linke« übernimmt die Aufgabe, an die sich in den neunziger Jahren die Union wagte. Sie hält die Neonazis klein, zahlt dafür aber den Preis, rechtsextreme Ansichten mit höheren Weihen zu adeln: nicht mit denen der bürgerlichen Demokratie, sondern mit denen des Sozialismus.