Edelweiß und ultrabraun

In Mittenwald will sich an Pfingsten erneut der »Kameradenkreis der Gebirgsjäger« treffen. Auch die Gegner des Treffens haben sich angekündigt. von anke schwarzer

Das Edelweiß gilt in Deutschland als stark gefährdet. Anzutreffen ist die Blume fast nur noch als Mützensymbol der Gebirgs­jägertruppe. Die aber muss man an Pfingsten nicht lange suchen: In Mittenwald, einer Kleinstadt am Fuße des Karwendel, hält der »Kameradenkreis der Gebirgsjäger« wie jedes Jahr eine Versammlung ab, um »unserer gefallenen, vermissten und verstorbenen Kameraden und aller Opfer von Krieg, Gewalt und Terror« zu gedenken, wie es der Vorstand des Kreises formuliert.

Gedacht und gefeiert wird in diesem Jahr zum 50. Mal: Am 10. Juni 1957, wenige Jahre nach der Befreiung vom Faschismus, segneten christ­liche Geistliche beider Konfessionen das »Ehrenmal der Gebirgsjäger« auf dem Hohen Brendten. Das Denk­mal repräsentiert das ungebrochene Bekenntnis zum nationalsozialistischen Krieg. Die von Ein­heiten der Gebirgsjäger in ganz Europa verübten Kriegs­verbrechen, die Deportationen griechischer Juden und die Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs werden nicht erwähnt.

Der Spuk wird auch nicht vorbei sein, wenn die letzten Wehrmachtsveteranen demnächst gestorben sind. Nur ein Drittel der gegenwärtigen Mitglieder des »Kameradenkreis der Gebirgsjäger« hat am Zweiten Weltkrieg teilgenommen. Zwei Drittel sind Gebirgsjäger der Bundeswehr, die in Mittenwald, in Schneeberg im Erzgebirge, in Füssen, Bad Reichenhall und Berchtesgaden stationiert sind. Die Einheiten zählen zu den Elitetruppen der Bundeswehr, die seit Mitte der neunziger Jahre an Einsätzen der Sfor und Kfor im früheren Jugoslawien und der Isaf in Afghanistan beteiligt sind. Als Bestandteil der so genannten Krisenreaktionskräfte und des Kommandos Spezialkräfte werden sie auch in der Interventionstruppe der EU verwendet.

Für Schlagzeilen sorgten vor einiger Zeit Mittenwalder Gebirgsjäger, weil sie sich in Afghanistan neben Totenschädeln hatten ablichten lassen. Die Verbindungen der Gebirgsjäger zu Traditionsgemeinschaften wie dem »Kameradenkreis« sind im Vergleich zu anderen Truppengattungen der Bundeswehr besonders ausgeprägt.

Trotz der rückläufigen Teilnehmerzahl ist das Treffen auf dem Hohen Brendten die größte Soldatenfeier Deutschlands. Im vorigen Jahr versammelten sich dort rund 800 Männer und Frauen. Von einer Bundeswehrkapelle begleitet, findet für gewöhnlich ein ökumenischer Feldgottesdienst statt. Bayerische Politprominenz hält Ansprachen, Kränze der Bundeswehr liegen neben denen revisionistischer und rechtsextremer Organisationen, etwa der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger.

Seit fünf Jahren aber findet das Treffen nicht mehr ungestört statt. Im Jahr 2002 wollten Aktivisten im »Postkeller«, einer Gaststätte, in der am Vorabend der Feier auf dem Hohen Brendten alte und junge Gebirgsjäger gemeinsam Bier trinken, eine Gedenkminute für die Opfer der Massaker der Wehrmacht in Griechenland, Italien und anderen Ländern abhalten. Die Antwort kam prompt: Es gab Tumulte, die Gegner der Gebirgs­jäger wurden gewaltsam und unter Zuhilfenahme von Holzstühlen aus der Gaststätte vertrieben.

Der AK Angreifbare Traditionspflege, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund deutscher Antifaschisten und andere Initiativen organisieren seit 2002 jedes Jahr Veranstaltungen in Mittenwald, auf denen Angehörige von Opfern und Überlebende von Massakern der Wehrmacht, etwa Christine Dimou, die sich als eine der wenigen vor dem Massaker in dem griechischen Dorf Distomo retten konnte, berichteten.

Wo die Zeitzeugen in diesem Jahr ihre Geschichte erzählen werden, ist derzeit noch offen. Die Stadt Mittenwald tut sich, gelinde gesagt, schwer damit, den Gästen einen würdigen Ort zur Verfügung zu stellen. Selbst die »Sondernutzungserlaubnis« für ein Bierzelt auf dem Bahnhofsvorplatz ist noch nicht sicher. »Außerdem wollen wir dieses Jahr in adäquater Nähe der Brendtenfeier eine Protestkundgebung abhalten«, sagt Lars Reissmann vom Hamburger AK-Distomo. Diese Kund­gebung aber wurde in der vorigen Woche verboten.

Eine weitere Veranstaltung soll in der Nacht von Pfingstsamstag auf Sonntag vor der katholischen Kirche stattfinden, wo die Namen der auf Kephallonia Ermordeten verlesen werden sollen. Deutsche Truppen erschossen damals über 5 000 Soldaten der italienischen Division »Acqui«, die sich im September 1943 Teilen der deutschen 1. Gebirgsdivision auf der griechischen Insel ergeben hatten. Michael A. Hofmann vertritt Enzo und Marcella de Negri, die Kinder des damals von einer Gebirgsjägereinheit ermordeten Capitano Francesco de Negri. Nachdem Ermittlungen in diesem Fall in den sechziger Jahren im Sande verlaufen waren, wurden sie im Jahr 2002 wegen neuer Hinweise wieder aufgenommen, aber bereits 2006 von der Staatsanwaltschaft München I wieder eingestellt. Es habe sich bei den ermordeten Italienern nicht um normale Kriegsgefangene gehandelt, »Aus Verbündeten wurden sie zu heftig kämpfenden Gegnern und damit im Sprach­gebrauch des Militärs zu ›Verrätern‹«, hieß es in der Begründung.

»Weil es sich nach dieser Lesart nicht um Mord aus niederen Beweggründen, sondern um Totschlag, der längst verjährt ist, handelt, wurden die Ermittlungen eingestellt«, erläutert Hofmann. Um doch noch einen Prozess gegen den 86jährigen ehemaligen Gebirgsjäger Othmar Mühlhauser in Dillingen an der Donau zu erreichen, hat er vor dem Oberlandesgericht München ein Klageerzwingungsverfahren eingereicht, über das in den nächsten ein bis zwei Monaten entschieden wird.

Um dagegen zu protestieren, dass Mühlhauser und ein weiterer Wehmachtsangehöriger, Josef Scheun­graber, ohne Strafe davonkommen, verzichten die Gegner der Gebirgsjäger dieses Mal auf den alljährlichen Besuch bei Ministerpräsident Edmund Stoiber in Wolfratshausen, um ihn zum Austritt aus dem Kameradenkreis der Gebirgsjäger aufzufordern. Stattdessen soll es ein Stelldichein bei Mühlhauser in Dillingen und in Ottobrunn, wo Scheungraber unbehelligt von der Staatsanwaltschaft München I lebt, geben. Im September 2006 war der Offizier vom Militärgericht La Spezia wegen eines Massaker in Falzano di Cortona (bei Arezzo) in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden.