Ein Fünfer im Lotto

Mecklenburg-Vorpommern in Erwartung des Westbesuchs: Die Tourismusbranche freut sich auf Bush – und auf seine Gegner. von ivo bozic
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Bush-Besuch. Ein zumindest akustisch doppeldeutiger Begriff. Es kann ein Besuch im Busch oder einer von Bush sein. Tatsächlich stimmt beides. Kein Wunder, dass solch ein spektakuläres Ereignis niemanden ungerührt lässt. Im kargen Mecklenburg-Vorpommern (MV), wo sonst nicht viel passiert ist, seitdem die Rote Armee abgezogen ist und Hansa Rostock in der zweiten Bundesliga spielt, ist man angesichts der bevorstehenden Visite des US-Präsidenten schon seit Monaten in heller Aufregung. Ob man für den Besuch aus dem Westen auch gerüstet ist? Zweifel sind berechtigt, wenn man im Nordkurier von der »US-Hymne ›Stars and Stripes‹« liest und die Schweriner Zeitung meint, die amerikanische Flagge werde »Union Jack« genannt. Aber gut, das alles lässt sich noch reparieren, ebenso wie einige Dorfstraßen, die man in höchster Eile ausgebessert hat.

Heikler war da schon die Frage, wo der Präsident denn landen sollte. Die Air Force One ist ein mächtiges Gerät, das nicht einfach auf einem kleinen Sportflugplatz aufsetzen kann. Viel mehr hat MV aber nicht zu bieten. Der Airport Rostock-Laage warb für sich mit dem Argument, man habe schon einen roten Teppich angeschafft und verfüge auch über einige ausländische Fahnen. Der Flugplatz Schwerin-Parchim hingegen, zu DDR-Zeiten vom sowjetischen Militär genutzt, empfahl sich dadurch, dass er schon Landungen von Jacques Chirac, Gerhard Schröder und Königin Beatrix bewältigt habe. Der Geschäftsführer des Flughafens in Trollhagen trumpfte schließlich damit auf, dass bei ihm schon Chris de Burgh und der »Walzerkönig« André Rieu empfangen wurden. Am Ende gewann Rostock – wohl wegen des Teppichs.

Fraglich ist, ob es dem tapferen Gastwirt Olaf Michels aus Trinwillershagen noch gelingen wird, rechtzeitig ein Reh und ein Wildschwein zu erlegen. Denn für das geplante Grillfest von Merkel und Bush soll es Selbstgeschossenes geben. Doch bisher ist dem Gastwirt nichts vor die Flinte gekommen, was daran liegen mag, dass die Frage, ob er rechtzeitig ein Stück Wild trifft, zum Medien­thema avancierte und die Lokalpresse ständig seinen Hochsitz belagerte.

Der Bürgermeister von Trinwillershagen, Klaus-Dieter Than, hat sicherheitshalber sein ganzes Dorf in Alarmbereitschaft versetzt. Fensterrahmen wurden angepinselt, ein Fahnenmast wurde aufgestellt, der kleine Dorfteich von Tauchern auf Bomben gecheckt, die Kindergartenkinder haben ein Stück zur Aufführung eingeübt, eine Blaskapelle ist am Start, Fahnenschmuck wurde besorgt (hoffentlich nicht Union Jacks) – nur, ob der US-Präsident auf dem Weg vom Hubschrauberlandeplatz zum Barbecue irgendetwas davon zu sehen bekommen wird, ist nicht klar. Viele Bürger bleiben daher ganz gelassen. Der Landesdienst von Mecklenburg-Vorpommern zitiert den Rentner Siegfried Borowski: »Walter Ulbricht war hier, Otto Grotewohl auch – wir sind hohen Besuch gewohnt.«

Streit gab es darum, wer die Kosten für die seit kurzem weltberühmte Gastfreundlichkeit der Deutschen übernehmen soll. »Wer die Musik bestellt, bezahlt«, meinte der Vorsitzende der Linkspartei, Peter Ritter. Die Opposition, also die CDU, bezeichnete die Debatte als »kleinkariert«. Tatsache ist, dass sich der Bund bis Ende Juni nicht dazu äußerte, wer den rund 20 Millionen teuren Empfang finanzieren soll, ja es gab, so erklärte Regierungssprecherin Marion Zinke, nicht einmal eine offizielle Information der Landesregierung über den Staatsbesuch durch den Bund. Vielleicht, weil man der rot-roten Landesregierung nicht so recht über den Weg traute.

Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) wird Bush zwar vom Flughafen abholen, machte aber auch unmissverständlich klar, wie banal die Gründe für seine Gastfreundschaft sind: »Wir werden den Besuch nutzen, um den Nordosten als Standort ausländischer Investoren stärker in den Blickwinkel der Öffentlichkeit zu rücken.« Der SPD-Kreisverband Stralsund verschickte eine Pressemitteilung, in der es heißt, Präsident Bush sei »nicht willkommen«. Die Landesminister, die von der Linkspartei gestellt werden, wollen vermutlich sogar an einer Demonstration gegen den Besucher teilnehmen.

In der Tourismusbranche sieht man das alles ähnlich wie Ringstorff und hört schon die Geldscheine rascheln. Wo neulich noch die Vogelgrippe das Geschäft vermieste, freut man sich jetzt über diesen »einzigartigen Imagegewinn«, den der hohe Besuch mit sich bringen werde. »Das ist der Hammer. Die ganze Welt blickt auf Stralsund«, wird ein Fischhändler in der Lokalpresse zitiert, und die Leiterin der Tourismuszentrale der Hansestadt erklärte: »Das ist neben der Wende das größte politische Highlight meines Lebens.« Und sie setzt noch eins drauf: »Das ist wie ein Fünfer im Lotto.« Der Oberbürgermeister Stralsunds verkündete: »Dieser Besuch ist unsere Chance.«

Doch es gibt auch Skeptiker. »Eigentlich sind wir ausgebucht«, wiegelte das »Steigenberger Hotel Baltic« ab, als es um eine geeignete Unterkunft für den Präsidenten ging. Und der Chef des Hotel- und Gaststättenverbands meinte trocken: »Mitte Juli ist Hochsaison in der Region.« Da sei alles belegt. Ein Hotelier werde es sich dreimal überlegen, ob er wegen eines Staatsbesuchs seine Stammgäste vergrault. Man hat dann doch noch eine Unterkunft für Bush gefunden, das »Kempinski«, das wohl noch ein Zimmer frei hatte.

In Stralsund soll Bush den Marktplatz besichtigen und das Rathaus. Dort hatten die beiden lokalen Abgeordneten der NPD anlässlich der Visite eine Ausstellung geplant, und zwar mit dem Motto: »Kriegsverbrechen der USA unter besonderer Berücksichtigung der Rolle George W. ­Bushs«. Zwar wurde ihr Vorhaben von der Bürgerschaft abgelehnt, aber die Kameraden versichern: »Wir Nationalisten lehnen den Besuch des Kriegstreibers Bush entschieden ab!« Sie wollen am 14. Juli öffentlich daran »erinnern, dass es anglo-amerikanische Bomberverbände waren, die seit 1941 ungeheure Luftkriegsverbrechen in der ganzen Welt zu verantworten haben«.

Auch die Friedensbewegung, die für den 13. Juli eine Demonstration mit dem Motto »Not Welcome Mr. President« angemeldet hat, kritisiert die Kriegspolitik der US-Regierung und den Imperialismus. Man habe aber dennoch nichts mit den Neonazis gemein und außerdem richte sich ihre Anti-Bush-Demonstration auch gar nicht gegen Bush. Man protestiere ausdrücklich »nicht gegen die Person des Präsidenten und auch nicht gegen die USA oder das amerikanische Volk«. Offenbar stecken die Veranstalter der Demonstration eher mit den Tourismusverbänden Mecklenburg-Vorpommerns unter einer Decke, denn sie erklärten: »Wir setzen darauf, dass viele Menschen im Sommer ein verlängertes Wochenende mit politischer Aktivität in der Region Stralsund / Rügen verbringen.«

Das wird die Tourismusbeauftragten freuen: Ob Bush oder Anti-Bush – Hauptsache die Menschen finden den Weg ins verwaiste vorpommersche Land. Und schließlich ist Bush nur einer, noch dazu einer, der viel kostet, während die Bush-Gegner viele sind, und alle werden eine Bockwurst essen wollen. Vielleicht erklärt sich so, wie das mit dem Lottotreffer gemeint ist.