Adios, Amigos!

Das geplante Einwanderungsgesetz spaltet nicht nur die US-amerikanische Gesellschaft, sondern auch die republikanische Partei. von max böhnel, new york

Die Debatte über das Thema Immigration bewegt in denn USA derzeit die Gemüter. Doch die Art und Weise, wie ausländische Korrespondenten darüber berichten, lässt einen wichtigen Aspekt außer Acht, nämlich dass die »Comprehensive Immigration Reform« wegen widersprüchlicher politischer Interessen möglicherweise gar nicht zustande kommt. George W. Bushs konservatives Bündnis unter dem Dach der republikanischen Partei läuft ernsthaft Gefahr, an der Frage der Immigration zu zerbrechen.

Sidney Blumenthal, ein ehemaliger Berater von Bill Clinton, beschrieb das Szenario in einem Beitrag für den britischen Guardian mit drastischen Worten: »Die xenophobe Republikanerbasis geht Geschäftsleuten und Konzernen an die Kehle. Das republikanisch dominierte Repräsentantenhaus – im Griff der extremen Rechten – befindet sich im Kriegszustand mit dem republikanisch dominierten Senat. Die evangelikale religiöse Rechte ist gelähmt, während die katholische Kirche eine Hauptschubkraft für die Demonstrationen von hispanischen Einwanderern ist. Jeder Versuch Bushs, sich an die Spitze einer nicht existierenden republikanischen Mitte zu setzen, erzeugt in seiner Partei genau den gegenteiligen Effekt.«

Ein weiterer Faktor, der das Gesetz zum Scheitern verurteilen könnte, ist eher bürokratischer Art. Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Dennis Hastert, ist gleichzeitig derjenige, der in der Kammer Abstimmungen ansetzen, aber auch verhindern kann. Da er seine Aufgabe vornehmlich darin sieht, ein Maximum an Parteidisziplin zu wahren, hat er es sich zur Gepflogenheit gemacht, Abstimmungen über bestimmte Themen nur dann zuzulassen, wenn eine Mehrheit der 231 republikanischen Abgeordneten gesichert ist. Das trifft jedoch für keine der diversen Vorlagen für ein neues Immigrationsgesetz zu, die allesamt auf einen Kompromiss mit dem Beschluss des Senats vom Donnerstag der vergangenen Woche hinauslaufen. Die Mehrheit des Repräsentantenhauses steht in der Tat weit rechts.

Die Kammer hat im Dezember in einem Gesetzesentwurf äußerst scharfe Maßnahmen gefordert, die rein ideologischer Art sind und wirtschaftliche Aspekte völlig außer Acht lassen. Im Mittelpunkt steht das Vorhaben, einen 700 Meilen langen Zaun an der Grenze zu Mexiko zu errichten, »illegale Einwanderung« als Verbrechen zu werten und die Unterstützung von undocumented workers mit Gefängnisstrafen zu ahnden. Noch bedeutsamer ist, dass in dem Dokument die Möglichkeit offengehalten wird, die schätzungsweise zwölf Millionen Einwanderer ohne Papiere abzuschieben.

Dass mit »Illegalen« anders umgegangen werden könnte, nicht zuletzt um die Bedürfnisse der auf Billiglöhner angewiesenen Wirtschaft zu befriedigen, ist der Mehrheit des Repräsentantenhauses keine Überlegung wert.

In der vorigen Woche beschloss der Senat eine in mancher Hinsicht mildere Version der Immigrationskontrolle, die jedoch kaum auf Zustimmung der Rechten treffen wird. Den federführenden republikanischen Senatoren Chuck Hagel und Mel Martinez schwebt ein Dreistufenkonzept für illegalisierte Einwanderer vor: Wer sich weniger als zwei Jahre ohne gültige Papiere in den USA aufgehalten hat, dem droht demnach die sofortige Abschiebung. Wer zwei bis fünf Jahre im Land ist, muss ausreisen und sich bei der Wiedereinreise registrieren lassen. Wer länger als fünf Jahre im Land gelebt und gearbeitet hat, ohne sich eines Vergehens schuldig zu machen, darf sich um eine Greencard oder die Staatsbürgerschaft bewerben, sofern er weitere Bedingungen erfüllt, etwa die Teilnahme an einem Englischkurs nachweisen kann.

Nach beiden Entwürfen soll das Grenzregime verschärft werden, nicht zuletzt mithilfe einer verbesserten Überwachungstechnologie. Beide Entwürfe sehen vor, Angehörige der Nationalgarde an die Grenze zu entsenden und Unternehmer, die weiterhin Illegalisierte beschäftigen, strafrechtlich zu verfolgen.

Diese Vorlage des Senats ist nur unwesentlich gemäßigter als die des Repräsentantenhauses, denn die Zahl der potenziell von einer Abschiebung Betroffenen, also jenen, die in den vergangenen zwei Jahren ohne Papiere in die USA eingewandert sind, beträgt zwischen anderthalb und zwei Millionen.

So oder so, wenn ein Gesetz durchkommt, werden an der Grenze zu Mexiko Abschiebegefängnisse gebaut. Im Gespräch ist auch die Wiedereröffnung stillgelegter Militärbasen für die Inhaftierung, Befragung und Abschiebung von »Illegalen«. Darüberhinaus kursiert die Vorstellung von einem »Gastarbeiterprogramm« mit entsprechenden behördlich ausgestellten temporären Ausweisen.

George W. Bush darf in der Immigrationsdebatte durchaus ein Sinn für Realität bescheinigt werden. Vor allem für das »Gastarbeiterprogramm« setzt sich der ehemalige Gouverneur von Texas, eines »Latinostaats« mit boomender Landwirtschaft und wachsendem Dienstleistungssektor, ein. Der linke Journalist Robert Scheer schrieb, Bush müsse zugute gehalten werden, dass er im Gegensatz etwa zum »Krieg gegen den Terror« oder zur Rentenpolitik von der Einwanderungsproblematik durchaus eine Ahnung habe. Zum ersten Mal gehe er ein »komplexes Problem« richtig an, wenn er die großteils offene Grenze zu Mexiko unter Kontrolle bringen und gleichermaßen den Status von Millionen von Illegalisierten klären wolle.

Bush hat bereits kurz nach seiner Amtsübernahme im Jahr 2000 Kontakt mit dem mexikanischen Präsidenten Vicente Fox aufgenommen und eine Debatte über ein »Gastarbeiterprogramm« für mexikanische Arbeitskräfte in den USA initiiert. Er wollte zeitlich begrenzte Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen für mexikanische Arbeiter einführen, stieß dabei aber auf den Widerstand der Protektionisten. Gleichzeitig befürworteten US-amerikanische Unternehmen im Agrar-, Bau- und Dienstleistungsbereich die ständige Verfügbarkeit und Austauschbarkeit von Billigarbeitskräften.

Bush und Fox verfolgen Interessen, die gut zusammenpassen. Fox wollte seine Landsleute aus den ärmsten südlichen Regionen zur Lohnarbeit in den USA bewegen. Ein Teil der erworbenen US-Dollars, so glaubte er, würde zurückfließen und die mexikanische Wirtschaft beleben. Die USA würden für die entsprechende Steuerung des Stroms der Arbeitskräfte sorgen, und die US-Regierung könnte, so wiede­rum das Kalkül Bushs, innenpolitisch Sympa­thien gewinnen, vor allem unter den schnell wachsenden hispanischen Gemeinden in den USA, die von Bush und den moderaten Republikanern umgarnt wurden. Doch dann kam der 11. September 2001, und alle diplomatischen Initiativen, die nichts mit dem »Antiterrorkrieg« zu tun hatten, wurden beiseite gelegt.

Nun sind die Überlegungen wieder aktuell. Die jüngste Initiative zu einer Reform der Immigrationspolitik soll Bush verschiedenen amerikanischen Zeitungen zufolge gegen den Willen einiger seiner Berater ergriffen haben, die den Zerfall der Koalition der Republikaner und ein schlechtes Ergebnis bei den Parlamentswahlen im Herbst befürchten. Andere Beo­bachter interpretieren die Initiative der Regierung als hilfloses Vorgehen auf einem der wenigen Politikfelder, in denen Bushs Umfragewerte noch nicht drastisch gesunken sind.

Vielleicht ist es aber auch gar nicht so hilflos. Der neokonservative Journalist William Kristol kommentierte in seiner Zeitschrift Weekly Standard, ein Comeback Bushs würde er keineswegs ausschließen.