Bonn hat’s ­hinter sich

Aufteilung der Bundesministerien zwischen Berlin und Bonn

Ich schlage die Zeitung auf und glaube, ich muss kotzen, äh: umziehen: »Bahnchef Hartmut Mehdorn hat mitgeteilt, dass ein Umzug der Bahn-Zentrale von Berlin nach Hamburg nicht mehr zur Debatte steht«, lese ich da.

Seit dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin weiß jeder, Reisende soll man nicht aufhalten – denn wo die vermeintlich großen Arbeitgeber abhauen, blüht anschließend das Leben. Die Haupt­stadt-Diskussion wurde soeben auf folgende Weise beendet: Wenn Berlin zum Hauptaushängeschild Deutschlands wird, müssen ministeriale Dienststellen auf ewig in Bonn bleiben. So soll es im Begleittext zum Grundgesetz stehen.

Die Bonner haben sich weder um die Regierung gerissen, noch haben sie groß gemeckert, dass sie wieder abhaut. Dennoch hat die Stadt nur Glück: Ihre Insassen haben Geld in der Tasche und dürfen sich die ganze sozialversicherungspflichtige Woche fragen, wie sie ihren Mumientag rumkriegen. Vielleicht mit einem Trip ins prekäre Berlin?

Bonn hat heute mehr Einwohner, noch mehr Geld und viel mehr Arbeitsplätze als zum Zeitpunkt des Umzugsbeschlusses. Denn Nordrhein-Westfalen machte damals seine Zustimmung vom Verbleib der Stellen abhängig. Klug gemacht! Ein Beispiel: Das Bundesministerium für Verteidigung hat 2 870 Dienststellen in Bonn und nur 340 in Berlin. »Alle leitenden Funktionen« sind in der Hauptstadt, wie es heißt, darunter auch die Führung der Streitkräfte. Es braucht also gerade mal 340 Leute, um heutzutage Streit zu führen, trotzdem leben in Bonn fast 3 000 Menschen glücklich und zufrieden vom Flieger zählen. Angewandter Keynesianismus ist das (antizyklisch)!

Das Vorbild zeigt: Berlin sollte alles tun, um die Regierung und repräsentative Sitze wieder loszuwerden, um dann rauszuhandeln, was geht. Die Bahn zieht nach Hamburg? Meinetwegen! Aber die 1 000 Arbeitsplätze bleiben gefälligst hier, und als Kompensation sind weitere 9 000 Stellen einzurichten. Vielleicht wäre das auch die Chance gewesen, um sich den Palast der Republik vergolden zu lassen und ihm als Garage ein Stadtschloss an die Seite zu stellen. Diese historische Chance ist verpasst worden.

jürgen kiontke